Wir wünschen einen guten Start!

Gottesdienst zum Schuljahresbeginn

Predigt zum Schuljahresbeginn

Liebe Schulgemeinde!

In diesen Sommerferien bin ich nach acht Jahren Pause mal wieder auf den „heiligen Acker“ zurückgekehrt. Ich war beim Wacken Open Air, dem größten Metal-Festival (mindestens) in Deutschland. Der „heilige Acker“ lässt an eine Pilgerreise denken – und für manche Metalheads ist es das tatsächlich. Ganz so weit würde ich für mich nicht gehen. Also eher ein Kulturtrip? Manch einer würde widersprechen und sagen dieser „Krach“ sei allenfalls Subkultur. So oder so – meine Woche in Wacken hatte vielfältige Akzente und ich habe sie in vollen Zügen genossen. Und einige meiner Erlebnisse dort haben Schnittmengen zu unserem Schulalltag.

Musik hat hier wie dort einen großen Stellenwert. Nicht wenige der Bands legen bei ihrem „Krach“ einige Virtuosität an den Tag. Und in einigen der vielfältigen Subgenres werden Melodien und Chöre groß geschrieben. Wer weiß, vielleicht findet ja mal das eine oder andere Stück Eingang in ein Sommerkonzert bei uns. Herr Schmidgall hat da neulich eine gewisse Offenheit signalisiert. Bei der Fülle der Konzerte, der Bands und der Musikstile bin ich wieder mal auf die eine oder andere mir zuvor noch unbekannte Perle gestoßen. Neugier und Offenheit für Neues sind auch in der Schule gute Voraussetzungen.

Kultur gibt es in Wacken auch abseits der Musik im Rahmenprogramm. Zum Beispiel beim Poetry Slam, dessen Finale ich mir angehört habe. Als ich zu der entsprechenden Bühne kam, packten gerade andere ihre Gymnastikmatten vom Metal-Yoga zusammen. Ja, Wacken ist auch Sport. Beim Im-Kreis-Rennen im Circle Pit musste ich leider erkennen, dass es um meine Kondition nicht zum Besten bestellt ist.

Das führt mich zum Stichwort Rituale. Rituale gehören nicht nur in der Kirche, sondern auch beim Metal dazu. Manche sind band-spezifisch, z.B. der „Ruder-Pit“ bei Amon Amarth. Die meisten sind band- und genreübergreifend. Wer sich auskennt, weiß, was es bedeutet, wenn sich plötzlich in der Masse ein Graben auftut: Gleich werden von beiden Seiten Fans zu einer Wall of Death ineinander rennen. Wem das – wie mir – zu heftig ist, der zieht sich rechtzeitig ein zwei Reihen zurück.

Ein Teil dieser Rituale hat Parallelen zu einer Präventionswoche. Die Rempeleien im Moshpit sind ein gutes Anti-Aggressionstraining. Da haben einander Menschen gerade noch heftige blaue Flecke zugefügt und liegen sich Sekunden später glücklich in den Armen. Sich beim Crowdsurfen über die Köpfe des Publikums hinweg zur Bühne durchreichen zu lassen, ist eine anspruchsvolle Körper- und Vertrauensübung. Und nebenher beschert sie einen schönen Adrenalinkick. Bei alldem spielt Verantwortung eine große Rolle. Es gibt einige ungeschriebene Gesetze. Crowdsurfer lässt man nicht fallen. Deswegen geht der Blick immer mal wieder nach hinten, ob da gerade jemand im Anflug ist. Und wenn im Moshpit jemand strauchelt, wird dieser Mensch sofort abgeschirmt und wieder auf die Füße geholt, so dass ihm nichts passiert. Diesen Blick füreinander brauchen wir auch in unserer Schulgemeinschaft.

Ein besonderes Augenmerk gilt den Schwächeren und ihren Bedürfnissen. Für Rollstuhlfahrer gibt es spezielle Campingflächen nahe beim Bühnenbereich und spezielle, erhöhte Plattformen. Vereinzelt werden sogar Rollstuhlfahrer als Crowdsurfer durchgereicht. Rücksichtnahme ist eine Selbstverständlichkeit auf dem heiligen Acker. Hoffentlich auch bei uns hier.

Offenheit besteht auch in anderer Hinsicht. Die Initiative „Metality“ verbindet Metalheads, die „sich gegenseitig unterstützen, helfen und fördern und jedem, der im Moshpit des Lebens auf die Schnauze fällt, wieder aufhelfen wollen.“ Dazu gehört, dass Sensibilität für das Thema Depressionen geschaffen werden und das Thema aus der Tabuzone geholt werden soll. Eine Aktion in diesem Rahmen ist das „BlackDog“-Armbändchen, das signalisiert: „Ich bin ansprechbar, habe vielleicht selbst Erfahrungen mit Depressionen und in jedem Fall keine Vorurteile“. Auch diese Sensibilität, Offenheit und Achtung voreinander sind mir an unserer Schule wichtig.

„Gaienhofen goes global.“ Das gilt für das noch kleinere Nest Wacken in jenen Tagen im August erst recht. Menschen aus aller Welt kommen zusammen und es kommt zu freundlichen Begegnungen. Als ich zum Beispiel ein Band-Shirt von Children of Bodom trage, spricht mich ein Pärchen aus Finnland an, die beide Tattoos derselben Band haben, und wir kommen ins Gespräch. Freundliche Begegnungen mit Fremden erweitern den Horizont dort wie hier.

Schließlich ist das Ganze eine Gemeinschaft auf Zeit. Ich war mit einer Gruppe von Leuten da, von denen ich Einzelne sehr gut und andere vorher gar nicht kannte. Beim Frühstück wurde geteilt, was man eben so mitgebracht hatte. Die Gesprächsthemen reichten von Musik über Wissenschaft bis hin zu Gott und der Welt. Eine Frau hatte unzählige Fragen, als sie mitbekommen hatte, dass Gernot und ich Pfarrer sind. Das Interesse für das, was andere zu erzählen haben, tut gut. Und ebenso der freundliche Geist, der einem überall auf dem Festival begegnet und – Gott sei Dank – auch oft hier auf dem Campus.

Von einer anderen Gemeinschaft haben wir in der Schriftlesung aus der Apostelgeschichte gehört. Manches, was dort von der ersten Christengemeinde beschrieben wird, habt Ihr vielleicht in meinen Schilderungen wiederentdeckt. Die besondere Gemeinschaft, gemeinsame Rituale wie das Brotbrechen oder dass erzählt wird, wie die ersten Christen alles miteinander teilten. Im Beständig-Bleiben in der Lehre der Apostel kann man das Festhalten an einer gemeinsamen Vision erblicken. Allerdings sind der „Geist von Wacken“ und die Botschaft der Bibel nur in einzelnen Punkten vergleichbar – immerhin vielleicht in mehr, als man zuerst denken würde.

Überhaupt sind weder die Urgemeinde, noch das Wacken Open Air noch unsere Schulgemeinde eins zu eins aufeinander übertragbar. Und natürlich zeichnet die Apostelgeschichte in gewisser Weise ein Idealbild. Trotzdem kann uns dieses Bild Orientierung geben über das hinaus, was ich bereits angesprochen habe. Das Leitbild der ersten Gemeinde und unserer Schule ist im Kern vom Evangelium, der Botschaft von Jesus Christus geprägt. Diese richtet den Blick über uns selbst und unsere Gemeinschaft hinaus – hin auf Gott. Von ihm können wir uns getragen und gehalten wissen. Er ist es, in dem ein gelingendes Miteinander seinen tiefsten Grund hat. Er gibt uns Kraft und Leitlinien für den Weg. Er wird uns begleiten auch in diesem Schuljahr.

Amen.

A. Glitsch-Hünnefeld