Vielfalt – Demokratie – Zivilcourage
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Mittwochsandacht vom 12.02.2025 – von und mit Nils Franke (F) und Arnold Glitsch-Hünnefeld (GH)
GH: Klar, Bodo Wartke überspitzt natürlich. Aber vielleicht gar nicht so sehr. Was mir als Erstes auffällt, ist, dass die „Lösungen“, die die vier Gruppen anbieten, keines der genannten Probleme lösen. Und manchmal habe ich denselben Eindruck bei der aktuellen politischen Debatte. Wir haben wirklich drängendere Probleme als die Frage, wer die schärfsten Asylregeln im Angebot hat. Statt echten Lösungen bieten die vier Gruppen in dem Lied immer nur ein „Wir gegen die Anderen“ oder „Our Community First“ an.
F: Die Beobachtung, dass die von den vier Gruppen angebotenen „Lösungen“ oft nicht die tatsächlichen Probleme ansprechen, ist alarmierend. Das vorherrschende „Wir gegen die Anderen“-Denken fördert nicht nur unsere gesellschaftliche Spaltung, sondern kann auch latent Gewalt erzeugen. Stattdessen sollten wir integrative Lösungen verfolgen, die alle Mitglieder der Gesellschaft einbeziehen.
GH: Aber … Wenn eine Mehrheit der Bevölkerung das so will, muss es dann nicht gemacht werden? Die BILD-Zeitung hat nach dem gescheiterten Antrag von Friedrich Merz getitelt: „Bundestagswahnsinn! Mehrheit der Abgeordneten stimmt gegen Mehrheit der Bürger!“
F: Demokratie ist komplex und erfordert mehr als nur den Willen der Mehrheit; Entscheidungen können auch ungerecht sein und die Rechte von Minderheiten verletzen. Kant betont die (Eigen-) Verantwortung, die uns auffordert, unsere Entscheidungen zu reflektieren und moralisch zu handeln.
GH: Eine falsche Entscheidung wird ja nicht dadurch richtig, dass eine Mehrheit sie will.
F: In einer Demokratie müssen wir daher nicht nur auf die Mehrheit hören, sondern auch die ethischen Standards und das Gemeinwohl berücksichtigen. Der kategorische Imperativ, als Kants zentrales Prinzip, fordert uns auf, nur nach Maximen zu handeln, die wir als allgemeines Gesetz wollen können.
GH: Um meiner Verantwortung gerecht zu werden, brauche ich Werte, an denen ich mich orientieren kann. Einen Hinweis dazu finde ich in der Jahreslosung: „Prüft alles und behaltet das Gute.“
F: In diesem Kontext spielt die christliche Ethik eine wesentliche Rolle, da sie Werte wie Respekt, Nächstenliebe, Empathie und Toleranz betont. Diese Prinzipien helfen uns, wie wir mit anderen Menschen umgehen.
GH: Diese und weitere Werte können einen ethischen Grundkonsens darstellen, auf den eine Demokratie angewiesen ist. Ein Staat, der seinen Bürgern Freiheit zutraut, kann nur bestehen, wenn diese mit ihrer Freiheit verantwortlich umgehen.
F: Freiheit und Vielfalt sollte also als Chance gesehen werden, voneinander zu lernen und sich weiterzuentwickeln, nicht als Aufforderung, alle Ansichten als gleichwertig zu akzeptieren. Ein einheitlicher Körper lebt auch von der Vielfalt seiner Organe.
GH: Aber bedeutet Vielfalt nicht gerade, dass auch Meinungen wie die der vier besungenen Gruppen ausgehalten werden müssen? Herrscht bei uns nicht Meinungsfreiheit?
F: Es ist mir wichtig zu betonen, dass Meinungsfreiheit und Toleranz nicht mit Beliebigkeit gleichgesetzt werden können. Toleranz bedeutet, unterschiedliche Meinungen und Lebensweisen zu respektieren und zu akzeptieren, aber auch abzuwägen, ob dadurch andere Meinungen unterdrückt werden, Beliebigkeit führt eher dazu, dass alle Ansichten als gleichwertig angesehen werden und auch radikale und unterdrückende Haltungen sich durchsetzen.
GH: Also muss auch in einer toleranten und vielfältigen Gesellschaft unterschieden werden. Allerdings nicht nach „Rassen“, Religionen oder Gruppenzugehörigkeit, sondern danach, wie sich Menschen verhalten und welche Haltung sie an den Tag legen.
F: Diese Unterscheidung zeigt sich in der Zivilcourage nicht alle Aussagen zu akzeptieren, gerade in diesem Kontext ist sie unerlässlich, denn es erfordert Mut, sich für die Werte einzusetzen, die wir gemeinsam füreinander richtig halten, das ist nicht ganz einfach.
Gerade dann, wenn populistische Symbolik unterschwellig Meinung transportiert und Gesten wie ein ”Hitlergruß” oder die ”geballte Faust”, Symbole wie das ”Hakenkreuz”, oder Melodien bzw. Texte, wie im ’Sylter Lied’ als normal und legitim gesehen werden.
GH: Ja, das ist nicht leicht. Aber manchmal ist es nötig, für seine Überzeugungen, für Menschenwürde und Demokratie einzutreten.
F: Es ist sogar von entscheidender Bedeutung, dass wir in solchen Momenten ”Stopp“ sagen und aufstehen, wenn die Regeln der Würde und damit die unserer Gemeinschaft verletzt werden. Wir müssen uns aktiv gegen solche Angriffe auf die Menschenwürde und die demokratische Ordnung stellen.
GH: Fassen wir zusammen: In einer freien Gesellschaft gilt es, Unterschiede auszuhalten. Vielfalt gehört zu einer Demokratie dazu.
F: Ich bin der Überzeugung, dass wir als Gemeinschaft am Schloss Gaienhofen und als evangelische Schule eine inklusive Atmosphäre der Vielfalt und der Demokratie leben sollten, die alle Mitmenschen willkommen heißt und respektiert.
GH: Wir sind auch gefordert, nicht einfach stumpf nachzubeten, was irgendwelche Anführer vorbeten, sondern unseren Verstand zu benutzen und Vernunft walten zu lassen. Dazu hat Gott uns damit ausgerüstet.
F: Unsere Schule sollte also ein Ort sein, an dem wir mit Vernunft alle Verantwortung übernehmen und das Bewusstsein für das Menschsein und Lösungen im Vordergrund steht.
GH: Statt ein „Wir gegen die Anderen“ für die Lösung der Probleme zu halten, gilt es miteinander, also auch mit den Anderen, nach echten Lösungen zu suchen. Im Sinne des „Prüft alles und behaltet das Gute.“
F: Lasst uns deshalb gemeinsam für Lösungen sorgen, so dass unser Schloss Gaienhofen ein Ort bleibt, an dem Glaube, Toleranz und Respekt Hand in Hand gehen und wo wir die Vielfalt der Menschheit als ein Geschenk betrachten, das es zu schützen und es in die Welt zu bringen gilt.
Nils Franke & Arnold Glitsch-Hünnefeld