Unterwegs in Gottes Hand
Mittwochsandacht_online

Vera Floetemeyer-Löbe, „Person auf Reisen“
Auf die Osterferien folgte – zumindest für Euch Schüler*innen – eine verkürzte Schulwoche und ein verlängertes Wochenende. Manche werden die Zeit vielleicht für einen Kurztrip, z.B. einen Besuch bei Verwandten, genutzt haben. Obwohl wir kein verlängertes Wochenende hatten, waren meine Frau und ich bei unserer Familie in Norddeutschland, weil der Patensohn meiner Frau seine Konfirmation gefeiert hat. Und in den Osterferien zuvor werden auch einige von Euch verreist gewesen sein. Für die meisten von uns ist es normal, häufig unterwegs zu sein. Wir sind Teil einer mobilen Gesellschaft.
„Person auf Reisen“ heißt diese Plastik. Sie war Teil einer Ausstellung, die vor und in den Osterferien im Evangelischen Gemeindehaus gezeigt wurde. Das Thema der Ausstellung hieß „Aufbruch“ und gezeigt wurden Werke von zwei Künstlerinnen: Nora Löbe und Vera Floetemeyer-Löbe. Die Erste ist Malerin und die Zweite Bildhauerin und – wie die Nachnamen schon vermuten lassen – sind die beiden Schwestern. Die Kombination der Kunstformen und der Titel der Ausstellung waren Thema der Andacht am vergangenen Mittwoch. Heute konzentriere ich mich auf diese Plastik.
Eine kleine Figur auf einem Stück Holz. Diese Kombination war in der Ausstellung mehrfach zu sehen. So zum Beispiel „Die weise Person“ und „Der Engel“. Die Figuren sind jeweils von der Künstlerin geformt, das Holz sind Fundstücke. Manches Holz, das Vera Floetemeyer-Löbe verwendet, ist Treibholz. Strandgut, das sie am Ufer des Sees gefunden hat. Ob das auch für die Plastik „Person auf Reisen“ gilt, weiß ich nicht. Gestrandet ist die Person jedenfalls nicht, sondern eben auf Reisen, also noch unterwegs. Vielleicht deutet das Holz eine hügelige Landschaft an, die die Person zu Fuß durchquert. Meine erste Assoziation war allerdings ein Boot. Ein recht massives Boot, das den Menschen sicher an sein Ziel bringt. Entsprechend ruhig wirkt die Plastik auf mich.
Ein Mensch ist unterwegs. Reisen bedeutet Begegnung. Begegnung mit anderen Menschen und anderen Gegenden. Je nachdem, wohin und vielleicht auch wie weit Ihr reist, könnt Ihr fremde Kulturen kennenlernen oder auch Natur, wie Ihr sie bisher noch nicht erlebt habt. Nicht selten auch beides: Natur und Kultur. Das Holz in den gezeigten Plastiken ist wenig bis gar nicht bearbeitet. Es ist jeweils ein Stück Natur, in das die von Menschenhand geformten Figuren gestellt sind. Natur und Kultur begegnen sich, verbinden sich. In der Verbindung wird auch das Stück Natur zu einem Stück Kultur. Menschen gestalten Welt. Die Welt verändert sich.
So bringen nicht nur Reisen in fremde Gegenden neue Eindrücke mit sich, sondern auch das Leben als Reise durch die Zeit. Das betrifft Euer Leben an der Schule (und natürlich auch das Leben jenseits der Schule). Klassenzusammensetzungen verändern sich. Ihr bekommt immer wieder neue Lehrkräfte. Neue Fächer kommen dazu und die Inhalte verändern sich. Sie werden anspruchsvoller und herausfordernder. Reisen – auch die Lebensreise – führen immer wieder auch heraus aus der Komfortzone.
An solchen Herausforderungen wachst Ihr. Nicht nur die Welt verändert sich, sondern Ihr verändert Euch auch. Ich wünsche Euch, dass Ihr Freude an Eurer Entwicklung habt. So wie ich es immer als Freude erlebe, Euch bei dieser Entwicklung begleiten zu dürfen. Von den Kindern, die in der 5ten Klasse hier ankommen, bis zu den Persönlichkeiten, die hier ihre Abschlussprüfungen ablegen. Und so gehören zum Reisen auch immer wieder Abschiede. Begegnungen sind in der Regel Begegnungen auf Zeit – auch hier an der Schule.
Reisen und Veränderungen verbinden Freude und Nostalgie, Herausforderungen und Anregungen. Gut ist es, wenn man sich in allen Veränderungen und auf allen Reisen begleitet und getragen weiß. Die Plastik „Person auf Reisen“ hat bei mir noch eine weitere Assoziation hervorgerufen. Für meine Augen hat das Holz die Form einer Hand. Die reisende Person ist unterwegs und ruht zugleich in Gottes Hand.
Vielleicht ist ihr, vielleicht ist Euch das nicht immer so deutlich vor Augen. Aber die Wirklichkeit, der wir begegnen, die Wirklichkeit, die wir gestalten, ist Gottes Wirklichkeit. Und so ist er um uns und begleitet uns auf allen Wegen und auf der Reise durch das Leben. Er begegnet uns in der Natur, die seine Schöpfung ist, und er begleitet uns in den Menschen, die uns gute Wegbegleiter sind. Das ist für mich in der Plastik ausgedrückt und auch in meinem Konfirmationsspruch aus Psalm 139: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“
Arnold Glitsch-Hünnefeld