Singen und Danken
Mittwochsandacht_online
Lange Zeit wurde in unseren Mittwochsandachten nicht gesungen. Im Zuge des neuen Andachtskonzepts wollen wir in diesem Schuljahr daran etwas ändern. Wir werden nicht immer in den Andachten singen, aber gelegentlich und vielleicht immer öfter. „Laudato si“, das Lied, das wir gerade gesungen haben, ist eins von denen, wo Ihr mit Schwung und Freude dabei seid. Da wird spürbar: Singen macht Spaß, wenn man sich traut mitzusingen. Auch wenn man vielleicht nicht jeden Ton trifft. Die Freude am Singen kann anstecken.
Wenn man sich die Texte anschaut, sind viele Kirchenlieder gesungene Gebete. „Laudato si“ ist die Vertonung eines Gebets aus dem Mittelalter. Es ist der Sonnengesang von Franz v. Assisi. Darin heißt es: „Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen, besonders dem Herrn Bruder Sonne, der uns den Tag schenkt und durch den du uns leuchtest. Und schön ist er und strahlend in großem Glanz: von dir, Höchster, ein Sinnbild. Gelobt seist du, mein Herr, für Schwester Mond und die Sterne. Am Himmel hast du sie geformt, klar und kostbar und schön.“ Das Gebet ist noch deutlich länger. Franz von Assisi nennt es „Il Cantico di Frate Sole (Cantico delle Creature)“ Der Gesang von Bruder Sonne (Gesang der Geschöpfe).
Gesungene Gebete sind auch die Psalmen in der Bibel. Oft wird im ersten Vers angegeben, auf welche Melodie sie gesungen oder mit welchem Instrument sie begleitet werden sollen. Leider sind uns die Melodien und die meisten der genannten Instrumente nicht bekannt. Oder weiß jemand von Euch, was eine „Gittit“ ist, mit der Ps 8 begleitet werden soll? In diesem Psalm heißt es: „Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Das klingt ein bisschen ähnlich wie der Sonnengesang.
Oder Ps 104: „Herr, mein Gott, du bist sehr groß; in Hoheit und Pracht bist du gekleidet. Licht ist dein Kleid, das du anhast.“ Dieser Psalm wird in der Regel an Erntedank im Gottesdienst gebetet. Vor 1 ½ Wochen haben wir hier in der Gemeinde auf der Höri Erntedank gefeiert. Pfr. Klaus hat eine schöne Predigt über das Danken gehalten. Er hat uns vor Augen geführt, dass Erntedank ein wichtiges Fest ist. Hier auf der Höri, wo viel Obst und Gemüse angebaut wird, haben die Menschen noch eher einen Bezug dazu. Oft ist Erntedank aber ein bisschen in Vergessenheit geraten.
Dabei tut es uns gut, dankbar dafür zu sein, dass wir reichlich und gut zu essen haben. Deshalb wird das Schulmittagessen der Unterstufe im AD-Saal mit einem Dankgebet eröffnet. Es tut uns gut, das Essen wertzuschätzen und nicht einfach gedankenlos in uns hineinzuschlingen. Wir freuen uns mehr daran, dass es gut schmeckt, wenn wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten. Ein Geheimnis des Dankens liegt darin, dass es nicht nur denen Wertschätzung vermittelt, denen wir das Gute verdanken: Dem Küchenteam, den Landwirten und letztlich Gott. Nein, das Danken lässt uns selbst die Freude an dem, was uns gegeben ist, bewusster erleben. Wenn Danken keine Pflichtübung ist, sondern aus dem Herzen kommt, bereitet es den Dankenden selbst Freude.
„Sei gepriesen, du lässt die Quellen springen. Sei gepriesen, du lässt die Felder reifen. Sei gepriesen, denn du bist wunderbar, Herr!“ Da wird Freude spürbar. Ein Lied, das gut zu Erntedank passt. Wie in Ps 104 wird Gott für die Schönheit und Vielfalt seiner Schöpfung gepriesen. Und zu dieser Vielfalt gehören schließlich auch die Menschen in all ihrer Vielfalt und Verschiedenheit. Knapp 900 verschiedene Persönlichkeiten treffen in unserer Schule aufeinander. Menschen mit verschiedenen Begabungen, Geschmäckern, Vorlieben und Charakteren. Manchmal ist das anstrengend. Vor allem aber ist es schön. Stellt Euch vor, Ihr wärt an einer Privatschule, an der Ihr die einzige Schülerin oder der einzige Schüler wärt. Voll der Luxus. Aber furchtbar öde.
Deshalb lasst uns die Freude darüber teilen, dass wir einander haben. Lasst uns die Freude über die Vielfalt der Gaben teilen, die Gott uns geschenkt hat. Lasst uns Gott von Herzen danken und ihn loben. „Sei gepriesen, denn du, Herr, schufst den Menschen! Sei gepriesen, er ist dein Bild der Liebe! Sei gepriesen, denn Du bist wunderbar, Herr!“
Arnold Glitsch-Hünnefeld