Die Reformation als Bildungsbewegung

Philip Melanchthon (1497 – 1560) ist Namensgeber dieser evangelischen Kirche. Der süddeutsche Reformator antwortete auf die tiefgreifenden Verunsicherungen und Umbrüche seiner Zeit an der Seite Martin Luthers mit der Botschaft der voraussetzungslosen Liebe Gottes. Doch es bedarf der Bildung, wenn das Wort Gottes Herz und Verstand der Menschen erreichen soll. Damit ist die Reformation auch eine Bildungsbewegung, und die Frage „Soll Kirche Schule machen?“ ist seit Jahrhunderten positiv beantwortet. Die Kirche steht neben der Schule, sie ist aber Teil der Schule „und erinnert an der ‚Praeceptor Germaniae‘ aus Wittenberg, dem die gymnasiale Bildung so sehr am Herzen lag“ (1).

Christliches Menschenbild

Die Evangelische Schule Schloss Gaienhofen sieht in der Tradition des Namensgebers sowie der Reformpädagogik zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Auftrag, immer wieder neue Wege zu beschreiten, in der Ausgestaltung der Schulgemeinde, bei den Unterrichtsformen und bei der Umsetzung christlicher Werte für das Zusammenleben. Im Zentrum der Schule steht das christliche Bild vom Menschen, das sowohl den Umgang der Mitglieder der Schulgemeinde miteinander als auch das Bildungsideal der Schule prägen soll.  

 Hermann Blomeier und der Bauhausstil
Die evangelische Melanchthon-Kirche wurde im Jahre 1967 vom Architekten Hermann Blomeier (1907 – 1982) im Auftrag der Evangelischen Landeskirche in Baden für die Schüler der damaligen Evangelischen Internatsschule in Gaienhofen und für die Glieder der Diasporagemeinde auf der Höri erbaut. Blomeier leistete innerhalb eines breiten Spektrums an Bauaufgaben wegweisende Beiträge zur frühen Nachkriegsarchitektur und fühlte sich der Bauhausarchitektur verpflichtet. 

Zentrum des schulischen Lebens
Die als Denkmal geschützte Melanchthon-Kirche ist der Ort für die wöchentliche Andacht der Schule Schloss Gaienhofen, deren Schulgottesdienste und zahlreiche musikalische Aufführungen. Die Kirche ist Eingang und Ausgang, Anfang und Ende für deren Schüler: hier werden sie zu Beginn ihrer Schullaufbahn in einer gottesdienstlichen Feier begrüßt; hier nehmen sie ihre Abschlusszeugnisse entgegen. Die evangelische Kirchengemeinde auf der Höri nutzt für besondere Gottesdienste ebenfalls diesen Kirchenraum. Dessen zeltartig aufgefaltetes Dach über einem oktogonalen Raum und das durch die Giebelverglasungen fallende Licht erinnern an das Volk Gottes, das auch in diesem festen Kirchengebäude „keine bleibende Statt“ findet, das immer unterwegs zum Reich Gottes ist.  

2019 wurden das Kirchengebäude sowie der Glockenturm mit Mitteln der Evangelischen Landeskirche in Baden und des Landesdenkmalamtes unter der fachlichen Leitung des Architekturbüros Poth & Zimmermann aus Radolfzell umfassend saniert. Zeitgleich erfuhr auch die Steinmeier Orgel aus dem Jahr 1968 eine grundlegende Sanierung und eine technische sowie klangliche Optimierung.  

(1) Dr. Michael Trensky, in: „Die Brücke 2021, S. 19