Paulus und die Shell-Jugendstudie

 

Mittwochsandacht_online

Thorben Wengert / pixelio.de

Was hat die Shell-Jugendstudie von 2024 mit dem Römerbrief des Paulus zu tun? Auf den ersten Blick wenig. Ich denke allerdings: Es gibt da einen Zusammenhang.

Vorab ein Blick auf die aktuelle Stimmungslage. Der vergangene Mittwoch wird schon jetzt in den Medien als ein Tag bezeichnet, der in die Geschichtsbücher eingehen wird. Morgens die Ergebnisse der Wahlen in den USA, abends das Aus der Ampelkoalition. Die Bewertungen beider Ereignisse gehen naturgemäß je nach politischem Standpunkt weit auseinander. Viele sehen im 6.11.24 allerdings einen schwarzen Tag. Und in jedem Fall bringen die beiden genannten Ereignisse eine Menge von Unsicherheiten mit sich.

Dabei sind sie nur Glieder in einer langen Kette von beunruhigenden Ereignissen. Die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine sowie Umweltkatastrophen in Folge des Klimawandels sind weitere große Krisen, die Menschen verunsichern. Und es ließe sich noch jede Menge mehr anführen. Die Lage – weltweit und in Deutschland – hat sich gegenüber 2019 sicher nicht verbessert.

Auf diesem Hintergrund sind die Ergebnisse der Shell-Jugendstudie ziemlich überraschend. Klar, auch bei Euch Jugendlichen sind Zukunftsängste vorhanden. Die Schwerpunkte haben sich dabei gegenüber der Vorgängerstudie von 2019 verschoben. Die Angst vor Krieg hat die Angst vor Umweltverschmutzung von der Spitze verdrängt. Und es gibt auch einen nennenswerten Anteil von verdrossenen oder unzufriedenen Jugendlichen. Insgesamt seid Ihr Jugendlichen aber in der Mehrheit zwar „besorgt, aber pragmatisch und optimistisch zukunftsgewandt“ so der Leiter der Studie in einer Zusammenfassung. Dazu kommt ein stabil hoher Wert von 75% bei der Zufriedenheit mit der Demokratie.

Menschen meiner Generation, die von den eingangs genannten Krisen geprägt sind, mag das verdächtig vorkommen. Tragt Ihr vielleicht alle eine rosa Brille oder steckt nach Vogel-Strauß-Manier den Kopf in den Sand? Dem widerspricht die Studie. Denn die Besorgnis angesichts der Krisen ist ja durchaus da – und berechtigt. Ihr lasst Euch aber von ihr nicht lähmen, sondern seht hin und fragt nach Lösungen. Das Interesse von Jugendlichen an Politik ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das Klischee von der desinteressierten, nur um sich selbst kreisenden Generation Z stimmt offenbar nicht. Was mich darüber hinaus freut, ist, dass Toleranz geradezu ein Markenzeichen Eurer Generation ist. Die Toleranzwerte gegenüber verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bzw. Minderheiten liegen zwischen 80% und 95%.

Was hat das Ganze nun mit dem Apostel Paulus zu tun? Der schreibt im Römerbrief: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.“ (Röm 12,12) Geduldig in Trübsal zu sein, bedeutet nicht, die schlimmen Ereignisse auszublenden, sondern hinzusehen, aber sich von ihnen nicht unterkriegen zu lassen.

Dazu ist Hoffnung eine gute Hilfe. Dabei ist Hoffnung nicht ganz dasselbe wie Optimismus. Vaclav Havel, Schriftsteller und eine Zeit lang Präsident von Tschechien, hat einmal gesagt: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ Hoffnung kann dazu motivieren, zu handeln. Und das umso mehr, wenn der Glaube an einen sinnvollen Zusammenhang des Großen und Ganzen gegeben oder wenigstens noch nicht ganz verloren ist.

So verstanden ist Hoffnung keine Realitätsverweigerung, sondern eine gesunde Lebenseinstellung. Wenn ich dagegen davon überzeugt bin, dass ohnehin alles verloren ist, warum sollte ich mich dann noch anstrengen? Pessimismus wird so zur selbst erfüllenden Prophezeiung.

Dazu kommt, dass die verbreitete Weltuntergangsstimmung die Spaltungen in der Gesellschaft weiter vorantreibt. Dabei ist es durchaus verführerisch mit Ängsten zu arbeiten, wenn man Andere vom eigenen Standpunkt überzeugen will. Wenn die Anderen nur endlich begreifen, wie nahe wir am Abgrund stehen, dann müssen sie sich doch überzeugen lassen. Bei dem Denkmuster ertappe ich mich selbst noch viel zu oft. Psychologische Studien haben dagegen ergeben, dass ein attraktives Ziel viel eher zum Handeln motiviert als ein Unheil, das es abzuwenden gilt.

Zurück zu Paulus. Er schreibt von einem langen Atem in Krisenzeiten und froher Hoffnung. Beides finde ich in der Shell-Studie wieder. Darüber hinaus schreibt er: „Seid beharrlich im Gebet.“ Dazu zwei Werte aus einer anderen Studie aus dem Jahr 2018 zur Religiosität von jungen Menschen. Befragt wurden Schüler*innen der Jahrgangsstufen 11 und 12 sowie Auszubildende. ¾ von ihnen gaben an, dass sie beten. Und das, obwohl nur 52% der Befragten angaben, dass sie an Gott glauben. Auch wenn sich das Gebet demnach nicht notwendig an einen personal gedachten Gott richtet, ist es ein Ausdruck dessen, dass der Beistand von etwas Größerem erhofft wird. Diese Einstellung halte ich für realistischer als das Bestreben, dass wir Menschen die Zukunft ohne höheren Beistand ganz aus eigener Kraft richten.

Unterm Strich sind für mich sowohl der Rat des Paulus als auch die Ergebnisse der Jugendstudien ermutigend. Vielleicht können wir Älteren in dieser Hinsicht von Euch Jüngeren ja noch etwas lernen. Ich würde es mir wünschen.

Arnold Glitsch-Hünnefeld