In der Unvollkommenheit liegt Freiheit

Mittwochsandacht_online

Toni Lindner, (von links nach rechts): „Steine auf deinem Weg“, „Herztöne“, „Persönlichkeitskubus“

Der Leistungskurs Religion der Kursstufe 2 hat sich durch die Ausstellung „Mach dich frei“ mit Plastiken des Künstlers Toni Lindner, die noch bis zum 25.10. im evangelischen Gemeindehaus in Gaienhofen gezeigt wird, zu einer Andacht inspirieren lassen.

Betrachtung der drei ausgewählten Plastiken

Herztöne:
Die Skulptur „Herztöne“ steht auf einer Basis aus Ziegelsteinen, die fest und stabil den unteren Teil der Struktur bilden. Aus dieser festen Grundlage brechen die Formen nach oben auf, als würden sie sich aus der Schwere der Steine befreien. Im oberen Teil der Skulptur befindet sich ein stilisiertes, biologisches Herz, das naturgetreu gestaltet ist. Aus dem Herz ragt ein einzelnes, geschwungenes Grammophon hervor, dass sich nach oben windet. Die Kombination aus der organischen Form des Herzens und dem unerwarteten Horn schafft einen markanten Kontrast zur soliden Basis aus Ziegeln.

Persönlichkeitskubus:
Der Persönlichkeitskubus. Die Plastik ist aufgebaut auf einem großen Baustein. Nach oben hin werden es viele kleine Bausteine, die zusammenspielen und eine Figur formen. Diese Figur ist nicht symmetrisch und an vereinzelten Stellen fehlen Bausteine. Die Plastik ist unvollständig. Sie stellt einen Menschen dar, besser gesagt, sie stellt die Entwicklung zu unserer Identität dar.

Steine auf deinem Weg
Die Plastik, welche einen Menschen darstellt, besteht aus Holz und innendrin sind Steine. Außerdem hält die Plastik einen Stab mit unterschiedlich großen Steinen. Diese Steine ergänzen den Menschen und bilden einen schönen Kontrast zu dem Holz. Die Steine stellen den Schmerz des Lebens dar und man hat die Freiheit, den Schmerz in eine Lektion zu verwandeln oder die Steine als Bürde mit sich herumzutragen, da es schwierig ist, Schmerz loszulassen.

Die Schüler*innen des Leistungskurses (Redaktion: Isabella Rottler)

Predigt

Das Thema der Ausstellung ist Freiheit. Doch was versteht man eigentlich unter diesem Begriff?

Es bedeutet unter anderem die Möglichkeit zu haben, auf sein Herz zu hören. Freiheit, das klingt oft nach Loslösung, nach einem Leben ohne Grenzen und Einschränkungen. Der Wunsch nach Freiheit motiviert einen zum Ausbrechen, so wie das Herz aus den Steinen.

Freiheit bedeutet, die Möglichkeit zu haben, auf sein Herz zu hören und es nicht am Ausbrechen hindern zu müssen. Stattdessen wird das Herz im Menschen laut und gleich wahrnehmbar wie der Verstand. Der Trichter eines Grammophons auf der Plastik stellt die Möglichkeit da, auf sein Herz zu hören und symbolisiert die Aussagekraft dessen. Doch wahre Freiheit zeigt sich oft erst in der Auseinandersetzung mit den Hindernissen, die uns im Leben begegnen. Diese Hindernisse, sowohl mental als auch physisch, sind keine Lasten, die uns brechen sollen, sondern Werkzeuge, die uns formen, stärken und vervollständigen.

Schwächen als ein Teil von uns – 2. Korinther 12:9

Im zweiten Korintherbrief zitiert Paulus den Herrn: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft kommt in der Schwachheit zur Vollendung.“ Dieses kraftvolle Wort erinnert uns daran, dass unsere Schwächen nicht unsere Grenzen sind, sondern unsere Chancen. Die Skulptur, die eine aus geometrischen Blöcken zusammengesetzte Figur zeigt, steht symbolisch dafür, wie wir durch die Erfahrungen unserer Schwächen neu aufgebaut werden. Jeder einzelne Block kann ein Hindernis oder eine Schwäche darstellen, aber zusammen formen sie eine neue, stärkere Identität.

Unsere Fehler und Schwächen sind die Bausteine, die uns tragen und letztlich stärker machen. Außerdem bekommen wir durch eigene Schwächen und Fehler die Möglichkeit, unsere individuelle Persönlichkeit zu bilden. Doch auch für dieses individuelle Bildnis werden Bausteine benötigt, welche uns von Gott gegeben sind in seiner Liebe, seiner Führung und seinen Worten. Trotz Gottes Bausteinen ist es wichtig die Schönheit der Unvollkommenheit in jeder Persönlichkeit zu erkennen, welche auch die Skulptur widerspiegelt.

Diese Skulpturen zeigen nicht makellose Figuren, sondern solche, die Brüche und Risse haben. Wir sind nicht perfekt und dennoch sind wir in Gottes Augen wertvoll und schön. Die Frage, ob man vollkommen sein kann, wird so zur Nebensache, denn wichtig ist, dass wir in der Hand Gottes sind und er uns mit seiner Liebe vervollständigt.

Zukunftsgestaltung

Gott gibt uns die Freiheit, mit unseren eigenen Fehlern umzugehen und aus ihnen zu lernen, damit wir auf diese Weise unsere Zukunft frei gestalten können. Die Skulptur mit den Steinen, die im Inneren des Baumes liegen, symbolisiert diese Freiheit. Diese Steine könnten als Lasten empfunden werden, aber sie sind auch das, was uns vervollständigt. Sie sind Teil unserer Geschichte und tragen dazu bei, uns zu schützen und zu stärken. Unsere Erfahrungen, selbst die negativen, formen uns und bieten uns die Möglichkeit, durch Gottes Führung eine bessere Zukunft zu erschaffen.

Gott begleitet uns

Gott ist immer bei uns, auch wenn wir auf Hindernisse stoßen. Er hilft uns, die Lasten des Lebens zu tragen und begleitet uns auf unserem Weg, uns weiterzuentwickeln. Die Schwierigkeiten, die wir überwinden, sind nicht nur Probleme, sondern Teile, die unsere Persönlichkeit formen. In diesen Momenten spüren wir Gottes Nähe und seine Führung in unserem Leben. Das sind die Momente, in denen wir wirklich frei sind.

Jolina Huber und Noah Dietze