„Für ein gutes Miteinander“ und mehr

 

Mittwochsandacht_online

Die Würfel sind gefallen, das Abstimmungsergebnis steht fest. In der Woche vor den Herbstferien war die ganze Schulgemeinschaft dazu aufgerufen, darüber abzustimmen, ob wir uns dazu verpflichten wollen, „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zu sein. Knapp ¾ unserer Schulgemeinschaft aus Schüler*innen, Lehrer*innen und den weiteren Mitarbeitenden haben sich dafür ausgesprochen. Damit ist das Quorum von 70% klar erreicht, das für einen Antrag auf Aufnahme in das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ notwendig ist. Dieses deutliche Statement freut mich.

Aber es gab immerhin auch 19% Gegenstimmen. (Die fehlenden 7% haben nicht mit abgestimmt, z.B. weil sie krankheitsbedingt verhindert waren.) Diese Gegenstimmen sollen nicht unter den Tisch fallen, sondern ich will ihre Einwände noch einmal aufnehmen. Die genannten Gründe für eine Nein-Stimme waren unterschiedlich.

Dazu kommen weitere mögliche Motive, die nicht genannt wurden, aber trotzdem vermutlich bei dem einen oder der anderen eine Rolle gespielt haben. Auch darauf will ich kurz eingehen. Manche werden vielleicht schlicht als Provokation mit „Nein“ gestimmt haben. Sie wissen, dass man uns so schrecklich liberalen Erwachsenen wenigstens damit noch auf die Palme bringen kann. Andere haben hinter dem Anliegen möglicherweise einen parteipolitischen Standpunkt vermutet und rechnen sich einem anderen politischen Spektrum zu. Dazu sei gesagt, dass es hier nicht um Parteipolitik, sondern um grundlegende ethische Werte geht. Dass sich verschiedene Parteien dazu unterschiedlich verhalten, trifft zwar zu, ist aber eher eine Anfrage an die entsprechenden Parteien.

Ausdrücklich genannt wurden meines Wissens mindestens drei Gründe. 1. Die Vermutung, dass das Ganze eine reine PR-Aktion sei ohne besondere Konsequenzen. 2. Umgekehrt die Sorge, dass wir uns mit dem Anspruch überfordern könnten und eine Menge zusätzlichen Aufwands auf uns – und damit auch auf sie – zukomme, den sie nicht leisten können oder wollen. 3. Die Frage, ob wir uns das Ziel der Selbstverpflichtung nicht schon längst auf die Fahnen geschrieben haben, z.B. in unserem Konzept „Für ein gutes Miteinander“.

Die Vermutung der Ersten sollte uns ein Ansporn sein. Wäre das Ganze tatsächlich nur ein Etikett, das wir uns aufkleben, ohne dass das etwas mit unserem Schulleben zu tun hätte, wäre das ein Armutszeugnis. Das Selbstverständnis „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ will mit Leben gefüllt sein. Und zwar sowohl in unserem alltäglichen Schulleben, also in einem guten Miteinander, als auch darin, wie wir uns jenseits des Schulalltags verhalten und positionieren.

Für den Schulalltag braucht es dazu keinen Extraaufwand, sondern ein Verhalten, das eigentlich für zivilisierte Menschen selbstverständlich sein sollte. Und ich erlebe tatsächlich auch sehr häufig ein faires Miteinander ohne Diskriminierung an unserer Schule. Deshalb habe ich eingangs formuliert, dass wir uns verpflichtet haben, Schule ohne Rassismus zu sein. Aber es gibt auch bei uns Situationen, wo wir diesem Anspruch nicht gerecht werden.

Im Blick darauf müssen wir noch ein Stück mehr Schule mit Courage werden. Und dazu sind immer wieder Wachsamkeit und gemeinsamer Einsatz gefragt. Ein weitergehendes Engagement in Projekten, Stellungnahmen oder der Mitarbeit in der Courage- und Demokratie-AG ist eine notwendige Ergänzung. Da kann jede und jeder für sich entscheiden, ob und wie intensiv er oder sie sich da einbringen kann und will. Das sei jenen gesagt, die Angst vor einer Überforderung haben.

Schließlich der Einwand, dass wir doch längst vergleichbare Grundsätze haben. Das stimmt einerseits. Andererseits stellt die neue Selbstverpflichtung aus meiner Sicht eine gute – vielleicht sogar notwendige – Ergänzung dar. Das verschriftlichte Konzept „Für ein gutes Miteinander“ besteht bei Licht betrachtet im Wesentlichen aus den Eskalationsstufen, die erfolgen, wenn Schüler*innen sich nicht an die Regeln der Schulordnung, des Anstands, der Mediennutzung etc. halten.

Die Regeln der Schulordnung und der Mediennutzung sind Euch Schüler*innen vorgegeben, ohne dass Ihr groß an ihrer Ausarbeitung beteiligt gewesen wärt. Demgegenüber haben wir uns jetzt gemeinsam dazu verpflichtet, Schule ohne Rassismus und Schule mit Courage zu sein. Und bei der Abstimmung hattet Ihr Schüler*innen mit Abstand die meisten Stimmen. Damit habt Ihr die Selbstverpflichtung zu Eurem eigenen Anliegen gemacht. Und bei der Umsetzung seid Ihr wesentlich beteiligt.

Ein weiterer wichtiger Punkt besteht für mich darin, dass wir dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ beitreten wollen. Das verleiht einerseits der Selbstverpflichtung zusätzliches Gewicht, weil wir uns damit auch dem kritischen Blick von außen aussetzen. Zugleich verspreche ich mir davon, Anregungen und Unterstützung für den mit Abstimmung eingeschlagenen Weg.

Nun gibt es an unserer Schule noch eine weitere Grundlage, die unser Verhalten bestimmen soll und die mir natürlich besonders am Herzen liegt: Das christliche Profil. Aber auch das macht in meinen Augen die Selbstverpflichtung nicht überflüssig. Unser christliches Profil ist kein fertiges Konzept, sondern ein Prozess. Und die Selbstverpflichtung ist ein wichtiger Schritt in diesem Prozess und steht einer christlichen Schule gut an.

Denn ihre Inhalte sind untrennbar mit einigen Kernpunkten des biblisch-christlichen Glaubens verknüpft. Ich will zum Abschluss einige wenige stichpunktartig in Erinnerung rufen: Dass der Mensch Gottes Ebenbild ist, gilt nach Gen 1,27 für jeden Menschen – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder kulturellem Hintergrund. Die Goldene Regel aus der Bergpredigt „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut ihnen auch“ steht gegen jede Form der Diskriminierung.

Ich will weder für meine bleiche Haut noch für meinen vielleicht naiven Glauben noch dafür, dass ich ein alter weißer Mann bin, abschätzig behandelt werden. Das Nächstenliebegebot wird am Ende des Kapitels, in dem es steht, variiert und auf die Fremden angewendet: „Wenn ein Fremdling bei euch wohnt, den sollt ihr nicht bedrücken, sondern du sollst ihn lieben wie dich selbst.“ Jesus hat das Nächstenliebegebot zusammen mit dem Gebot, Gott zu lieben, zum wichtigsten Gebot der Tora erklärt. Indem wir mit Liebe und Respekt miteinander umgehen, erweisen wir Gott die Liebe, die er uns schon längst erwiesen hat – jedem und jeder von uns.

Arnold Glitsch-Hünnefeld