„Erscheinung braucht keine Selbstinszenierung“
Mittwochsandacht_online

Quelle: dimitrisvetsikas1969 (pixabay) – Ausschnitt (das gesamte Bild findet sich am Ende des Beitrags)
Neulich hat mich eine Kollegin gefragt, ob wir neue Paramente haben. Vielleicht ist ja auch einigen von Euch aufgefallen, dass am Altar und an der Kanzel zur Zeit weiße Teppiche hängen. Neu sind die allerdings nicht. Dass die Farbe von Zeit zu Zeit wechselt, hängt mit dem Kirchenjahr zusammen. Jede Farbe steht für bestimmte Feste und Zeiten im Kirchenjahr. Weiß ist die Christusfarbe. Zu Weihnachten, also dem Fest der Geburt Jesu, wurden die weißen Paramente angehängt. Und weil die Epiphaniaszeit, in der wir uns gerade befinden, zum Weihnachtsfestkreis gehört, hängen sie auch heute noch.
Jetzt haben einige von Euch vermutlich wieder Fragezeichen in den Augen: „Epiphaniaszeit – Was ist denn das?“ „Epiphanias“ ist griechisch und bedeutet „Erscheinung“. Das Epiphaniasfest wird in der evangelischen Kirche am 6. Januar gefeiert. Also an dem Tag, an dem die katholische Kirche Dreikönig feiert. Beides hängt miteinander zusammen und das verbindende Element ist Weihnachten. Am 6. Januar wird in den orthodoxen Kirchen Weihnachten gefeiert. Und die drei Könige – oder besser die Weisen aus dem Morgenland, deren Anzahl in der Bibel gar nicht steht – gehören ebenso zum Weihnachtsgeschehen wie der Gedanke, dass mit der Geburt Jesu Gott selbst auf der Erde erschienen ist.
In Jesus Christus ist Gott selbst erschienen. Manche Menschen legen ja großen Wert auf ihre Erscheinung. Manche Menschen sind davon überzeugt, dass sie die Größten sind und der Welt das Heil bringen, und sie bestehen darauf, dass alle Anderen das gefälligst genauso sehen. Sie inszenieren sich selbst und ihre vermeintliche Größe. Aktuell erleben wir das gerade mal wieder auf der (welt)politischen Bühne. Das kann für andere ganz schön anstrengend sein. Und ob diese Leute wirklich so großartig sind, wie sie meinen, sei einmal dahingestellt.
Jesus dagegen legte keinen Wert darauf, sich selbst und seine Größe zu inszenieren. Das zeigt z.B. die Erzählung von seiner Taufe, wie das Matthäus-Evangelium sie überliefert. Diese Geschichte ist das Evangelium für Epiphanias.
Matthäus erzählt: Jesus kommt an den Jordan, um sich von Johannes taufen zu lassen. Johannes ist der ältere Cousin von Jesus. Er lebte in der Wildnis am Jordan und verkündete den Menschen, dass Gottes Herrschaft nahe herbeigekommen sei. Die Menschen sollten von ihren verkehrten Wegen umkehren und ihr Leben nach Gottes Wort und Willen ausrichten. Als sichtbares Zeichen dieser Umkehr taufte er sie im Jordan.
Als Jesus nun zu ihm kommt, erkennt Johannes sofort, wen er da vor sich hat. Und er sagt: „Ich müsste mich doch von dir taufen lassen und nicht umgekehrt.“ Aber Jesus antwortet: „Lass es zu, dass ich von Dir getauft werde. Auf diese Weise sollen wir Gottes Willen und Gerechtigkeit erfüllen.“ Nachdem Johannes Jesus getauft hat, öffnet sich der Himmel und der Geist Gottes kommt in Gestalt einer Taube auf Jesus herab. Und eine Stimme aus dem Himmel sagt: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“
Epiphanias – Erscheinung. Wer erscheint in dieser Geschichte wem? Gott erscheint Johannes in der Gestalt von Jesus. Johannes erkennt, dass ihm in Jesus Gott selbst begegnet. Der Heilige Geist, der Geist Gottes, erscheint in Gestalt einer Taube für alle Anwesenden erkennbar. Und schließlich erscheint Jesus auch den Menschen dort am Jordan als Sohn Gottes, erklärt durch die Stimme Gottes. Und durch die Worte des Evangeliums erscheint er so auch uns.
Jesus erweist sich als Sohn Gottes gerade dadurch, dass er sich nicht künstlich groß macht. Johannes findet, dass er eigentlich von Jesus getauft werden müsste, aber Jesus bleibt dabei, dass er die Taufe von Johannes empfängt. In Jesus ist Gott ganz Mensch geworden. Er geht den Weg der Menschen mit – auch den Weg der Umkehr zu Gott, den Jesus doch eigentlich gar nicht nötig hat. Und genau deshalb bestätigt ihn Gott: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Darin steckt auch ein Stück Verheißung für uns. Wenn wir uns auf den Weg zu Gott machen, wird er uns als seine Kinder annehmen.
Dabei hat sich Jesus nicht aus falscher Bescheidenheit kleiner gemacht, als er war. Er ist öffentlich aufgetreten, hat die kommende Gottesherrschaft verkündet, Menschen geheilt und andere Zeichen des Reiches Gottes vollbracht. Auch wir sollen die Begabungen, mit denen Gott uns ausgerüstet hat, nicht verstecken. „Ihr seid das Licht der Welt. Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ sagt Jesus bei anderer Gelegenheit.
Jesus hat seine Gaben nicht versteckt, aber er konnte auch gut Andere neben sich gelten lassen. Die Taufe war das Spezialgebiet von Johannes. Da musste Jesus ihm nicht dazwischenfunken. Jesus selbst hat nicht getauft. Jedenfalls berichten die Evangelien nichts dergleichen. Am Ende des gemeinsamen Weges gibt er seinen Jüngern den Auftrag, dass sie taufen sollen. So sollen sie sein Werk und das des Johannes weitertragen in die Welt – bis zu uns und darüber hinaus. Jesus ist erschienen als der, der von Gott gesandt und begabt war. Dazu brauchte er keine Selbstinszenierung. Er hat andere neben sich gelten lassen und mit ihnen das Reich Gottes gebaut.
Lassen wir uns von ihm inspirieren. Lasst Euer Licht leuchten vor den Menschen, gebt anderen Menschen Raum neben Euch und lasst uns gemeinsam am Reich Gottes weiterbauen.
Arnold Glitsch-Hünnefeld
