Das Gebäude ist in seiner jetzigen, neuen Erscheinung das Ergebnis eines langen Planungs- und Bauprozesses. Bereits 2001, vor Gründung der Schulstiftung, war eine Generalsanierung des damaligen Verwaltungsgebäudes in der Prioritätenliste des landeskirchlichen Bauamtes aufgenommen. Immer wieder verschoben, konnte schließlich 2009 die Detailplanung beginnen, die im September dann in einen Bauantrag mündete. Für diese Planung und die anschließende Bauleitung konnte die Architektin Frau Veronika Peters gewonnen werden, die mit dem Baubestand der Schule durch die Sanierungen in Marstall Ost und West bereits bestens vertraut war.
Bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass zumindest wesentliche Teile des Gebäudes eine neue Nutzung erfahren sollten: Bis dato war in diesem Haus die Verwaltung untergebracht, im oberen Geschoss war eine Mitarbeiterwohnung, die von unserer damaligen Hauswirtschaftsleiterin, Frau Braun, bis zu ihrem Ruhestand bewohnt war. Das neue Konzept sah vor, dass die Bibliothek, die für neue naturwissenschaftliche Fachräume im Schulgebäude hatte weichen müssen, eine neue Heimat finden sollte. Dann wollten wir dem steigenden Bedarf an Einzel- und Gruppenarbeitsräumen für Schüler- und Lehrer begegnen. Und schließlich musste das Ganztagesangebot auf die Nachfrage hin angepasst werden und brauchte neue Räume.
Nach der Baugenehmigung im Januar 2010 konnten im Sommer 2010 die eigentlichen Baumaßnahmen beginnen. Was dann folgte, war ein ziemliches Abenteuer: zunächst ein Rückbau auf nahezu Rohbauzustand und der anschließende Wiederaufbau bzw. Umbau.
Der Dachstuhl wurde komplett entfernt und mit Gaupen auf Nord- und Südseite neu errichtet. Heizung, Sanitäranlagen und Elektroinstallation komplett erneuert, Wände versetzt oder herausgerissen, ein neues Treppenhaus gebaut, neue Raumzuschnitte realisiert, die bereits genannten energetischen Maßnahmen vorgenommen usw.
Die Bauzeit selbst hat für uns alle sehr viele Überraschungen gebracht. Wir wissen einmal mehr, dass es bei solchen Baumaßnahmen im historischen Bestand nichts gibt, was es nicht gibt. Hier nur ein paar wenige Beispiele:
- Fundamente des historischen Mauerwerks, die quasi „in der Luft hingen“ und nicht mehr getragen haben,
- logische Brüche in der statischen Konstruktion, durch Richtungsänderungen in der Balkenlage, die statisch nicht ohne Probleme waren. UND wenn ein Statiker sagt, es sei verwunderlich, dass diese Holzbalkendecke überhaupt noch getragen habe, kommt man als Verantwortung Tragender ins Grübeln. Jetzt ist da ein Betondecke und das Gebäude stabil.
- „unkonventionelle“ Betoniermethoden der 50er Jahre, die zu einer Durchfeuchtung einzelner Kellerwände führten,
- Schalldämmmaßnahmen mit Hochofenschlacke in den Zwischenböden,
- oder auch Wandteile, die scheinbar nur noch durch die Tapete gehalten haben und deren Entfernung uns jetzt zumindest eine große Glasfront mit traumhaftem Blick im großen Lernraum der Bibliothek im Obergeschoss beschert hat.
Insgesamt konnten hier knapp 410 qm Nutzfläche geschaffen werden, wovon etwa 315 qm für schulische und erzieherische Zwecke nutzbar sind. Im westlichen Teil des Gebäudes findet man Lern- und Arbeitsräume in unterschiedlicher Größe für die verschiedenen Nutzungsarten, für Schüler und Lehrer: Eine kuschelige Bibliothek im östlichen Teil des Gebäudes, Lern- und Medienräume mit Blick nach draußen, ein neuer Seminarraum mit Blick über den Untersee in die Schweiz und ins historische Schlossareal sowie ein Gruppenraum für das Tagesinternat, der sogenannte Chill-Raum. […]
Am Ambrosius-Blarer-Gymnasium existiert eine mittlerweile gut nachgefragte Ganztagesbetreuung, die sich bisher aus einem speziell für die Unterstufen zugeschnittenen AG-Angebot und einer anschließenden Hausaufgabenbetreuung zusammensetzte. Problematisch war jedoch die Nutzung der Klassenräume für die Hausaufgabenbetreuung, da diese für Kleingruppenarbeit am Nachmittag nur bedingt geeignet sind, keine Rückzugsräume für Schüler bieten und keinen Abstand zum Schulvormittag entstehen lassen. Außerdem kommt es zu Störungen des Nachmittagsunterrichts der höheren Klassenstufen.
Die Trennung von Unterricht und Nachmittagsbetreuung in dafür jeweils geeigneten Räumen wird zu einer Aufwertung unseres Angebots führen. Die Kombination aus: hochwertiger, regionaler Küche mit einer Tischgemeinschaft am Mittag, auf die Zielgruppe abgestimmtem AG-Angebot und einer professionellen Hausaufgabenbetreuung in eigenen Räumlichkeiten führt dazu, dass wir uns deutlich vom landläufigen Ganztagesangebot abheben. Strategisches Ziel ist es, durch ein hochwertiges Tagesinternat verstärkt Schülerinnen und Schüler aus dem Raum Singen, Stein am Rhein und Konstanz anzuziehen, neben denen von der Höri, um auch in Zeiten kleiner werdender Jahrgänge weiter wachsen zu können.
Das Tagesinternat sehen wir dabei als eigenständigen Geschäftsbereich, der zwischen den Polen „Vormittagsschüler“ und „Internatsschüler“ ein ganzes Spektrum von Angeboten aufspannt, das bausteinartig kombinierbar ist und die Kinder bei ihren Interessen und Neigungen abholt.
Dabei sind jedoch die ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen zu beachten: Gerade auf der Höri gibt es ein intensives Leben außerhalb der Schule. Ein hoher Anteil von Eltern, die in einer klassischen Rollenverteilung in Familien leben, mit Oma oder Tante im Nebenhaus, Schüler, die im traditionell sehr vitalen Vereinsleben am Ort fest verankert sind, und weite Anfahrtswege für Schüler aus den benachbarten Städten sind gute Gründe für eine offene Ganztagskonzeption.
Das Lernatelier geht weit über eine bloße Betreuung während der Hausaufgaben hinaus: Kolleginnen und Kollegen mit Lehrbefähigung für Realschule und Gymnasium helfen den Schülern bei der Erstellung von Hausaufgaben und Projekten und sie helfen den Schülern, in festen Rhythmen konzentriert mit Hilfe von Wochenplänen und anderen Methoden selbständig zu arbeiten.
Integriert in das Lernatelier sind also Elemente unseres Methodenlehrplans, aber auch z. B. die Diagnostik und das Training bei LRS-Schwäche oder der verstärkte Englischunterricht in Klasse 6, der auf den bilingualen Unterricht vorbereitet.
Ich komme damit – und abschließend – zu einer weiteren Funktion, die für uns mit diesem Haus verbunden ist: Es soll uns weiter bringen auf dem Weg individualisierten Lernens. Daher heißt das Haus auch „Lern- und Medienhaus“.
Hier wollen wir weiter erproben, wie Schülerinnen und Schüler in ihrem je eigenen Lerntempo, von eigenem Lerninteresse geleitet und mit eben nicht mehr nur einheitlichen Lehrwerken versehen die aktuellen Ergebnisse der Lernforschung umsetzen können – und wir wollen dabei einen Kernbegriff konstruktivistischer Didaktik exemplifizieren: Das „Scaffolding“, das Gerüstbauen durch den Lehrer, für das eigenständige Lernen des Schülers, das zunehmend selbstorganisiert abläuft und das ernst macht mit dem Wissen, dass Lernen ein aktiver PROZESS ist, der durch Lehrpersonen unterstützt und angeregt wird, der aber letztendlich vom Schüler selbst und allein bewerkstelligt werden muss. […]
Zusammenfassend:
Unsere Schule in Gaienhofen soll ein Ort sein, an dem Schülerinnen und Schüler auf vielfältige Weise lernen können, dabei aber auch Gemeinschaft erfahren als die liebende und prägende Gemeinschaft einer christlichen Schule, die sie als ganze und wertvolle Menschen annimmt, jenseits ihres individuellen Leistungsvermögens.
(D. Toder, 9.3. 2012)