Die Renovation der Melanchthonkirche

2019

Die evangelische Melanchthon-Kirche in Gaienhofen wurde im Jahre 1967 vom Architekten Hermann Blomeier (* 19. Mai 1907 in Gelsenkirchen, † 1982 in Konstanz) im Auftrag der Evangelischen Landeskirche in Baden für die Schüler der damaligen Evangelischen Internatsschule in Gaienhofen und für die Glieder der Diasporagemeinde auf der Höri erbaut. Blomeier leistete innerhalb eines breiten Spektrums an Bauaufgaben wegweisende Beiträge zur frühen Nachkriegsarchitektur. Er weitete seinen Wirkungskreis allmählich aus und darf als einer der bedeutendsten Architekten der Nachkriegsmoderne im deutschen Südwesten bezeichnet werden.

Ein ehemals flacher Rechteckbau schloss südlich an den zentralen Raum des Gottesdienstes an, der mit dem Zentralbau eine überdachte Verbindung einging. Im Zug der Errichtung eines Campusgebäudes im Zentrum der Liegenschaft der Schule im Jahr 2016 wurde dieser Bau durch einen Neubau ersetzt, der jedoch die Grundzüge des ehemaligen Rechteckbaus aufgenommen hat.

Unter dem Dach des Kirchturms, der sich als Solitär präsentiert, befinden sich vier Glocken. Der mit einem Flachdach gedeckte Glockenturm erhebt sich über einen quadratischen Grundriss und weist eine Höhe von 31,5 m auf.

Um die Gemeinde sind schützende, freistehende Wände aus Klinkerstein gestellt. Darüber ist das Dach zeltartig aufgefaltet. Das Tageslicht fällt durch die Giebelverglasungen weich in den oktogonalen Raum. Die Abgeschlossenheit des Raumes mit seinen beinahe ungegliederten Wänden erzeugt den Eindruck strenger Klarheit.

Das bleiverglaste Fenster über dem Altar stellt die Heilige Dreieinigkeit, entworfen von Anton Wendling, ergänzt von Rainer Flock, dar. Das Kreuz schmiedete Ueli Schneider aus Niederlenz. Die Paramente für Altar und Kanzel gestaltete Inge Vahle aus Darmstadt. Die Bleiverglasung des Vorraums, nach einem Entwurf von Anton Wendling, symbolisiert die Vollendung der Gemeinde im himmlischen Jerusalem (Offenb. Kap. 21, V. 2). Beide Bleiverglasungen besorgte die Werkstätte Hein Derrix aus Kevelaer. Die Orgel aus dem Jahr 1974 stammt aus der Werkstatt G.F. Steinmeyer aus Oettingen.

Die als Denkmal geschützte Melanchthon-Kirche wird für die wöchentliche Andacht der Schule Schloss Gaienhofen – Evangelische Schule am Bodensee, deren Schulgottesdienste und zahlreiche musikalischen Aufführungen sowie von der evangelischen Kirchengemeinde Gaienhofen für den Gottesdienst genutzt.

Im Jahr 2019 wurde das Kirchengebäude sowie der Glockenturm mit Mitteln der Evangelischen Landeskirche in Baden und des Landesdenkmalamtes unter der fachlichen Leitung des Architekturbüros Poth & Zimmermann aus Radolfzell umfassend saniert. So wurden insbesondere eine Fußbodenheizung und eine ergänzende Warmluftheizung eingebaut und das durch einen Wasserschaden erheblich in Mitleidenschaft gezogene Stirnholzparkett gänzlich erneuert (eine ca. 3 qm große Fläche auf der Ostseite zeigt das Originalparkett). Das Kupferdach wurde an zahlreichen Stellen abgedichtet und die Dachentwässerung erneuert. Die innenliegenden Klinkerwände des Baukörpers wurden in einem sanften Verfahren gereinigt. Die Steinmeyersche Orgel wurde unter fachmännischer Begleitung von Prof. Dr. Michael G. Kaufmann vom Orgel- und Glockenprüfungsamt der Evangelischen Landeskirchein Baden komplett deinstalliert und vom damaligen und heute noch wirkenden Orgelbauer in Oettingen generalüberholt. Zum Schutz des Instruments wurde die Außenwand des Orgelraumes thermisch ertüchtigt.

Die gesamte noch im Original vorhandene und an die Bauhausarchitektur erinnernde Bestuhlung wurde – Stuhl für Stuhl – saniert, d.h. die Verzapfungen wo nötig überarbeitet und die Schnurbespannungen handwerklich aufwändig erneuert. Die eindrucksvolle Bleiverglasung der Eingangshalle wurde ebenfalls saniert und das in Kupfer ausgeführte mächtige Eingangsportal restauriert. Der solitäre Glockenturm erhielt eine neue Dachentwässerung sowie Turmuhr und Glocken moderne Steuerungstechnik. Abschließend wurde auch die Elektroinstallation und mithin die gesamte Licht- und Tontechnik des Oktaeders erneuert.

Das Ergebnis offenbart dem Betrachter einen unter den achtsamen Augen des Denkmalschutzes behutsam sanierten Sakralbau. Am 20.12.2019 fand nach über einem Jahr Bauzeit im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes die Wiedereröffnung der Melanchthon-Kirche statt. (A. Hennch)

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