Wir wünschen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr!

Ansprache zum Weihnachtsgottesdienst

Die Schule, die auf schützenden Händen getragen wird, hat mich an den Ps 91,11 erinnert. Genauer, an den Vers aus dem Psalm, der die Hitlisten der Taufsprüche mit großem Abstand anführt: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“

Weihnachtskarte 2023

Dass die mittlere Figur unsere Schule auf den Händen trägt, ist eine Haltung, die Schutz gewährt. Und zugleich steht dieser Engel schützend vor den beiden anderen Figuren. Der Frau mit dem schutzbedürftigen Kind – die Assoziation „Maria mit Jesus“ liegt nahe – und dem dunkelhäutigen Mann, der dann wohl Josef darstellt.

Josef als Mensch mit dunkler Hautfarbe. Da klingt die Debatte an darüber, ob Jesus eigentlich eine helle Haut hatte. Anders gefragt: Wann ist aus dem Menschen aus dem mittleren Osten, der vermutlich arabische Züge hatte, eigentlich ein Weißer in der Wahrnehmung der Christen geworden? Als bewusste Störung der selbstverständlichen Vereinnahmung Jesu durch weiße Westeuropäer halte ich diese Fragestellung für ganz hilfreich. Letztlich führt die Debatte aus meiner Sicht aber nicht weiter. Entscheidend ist doch: Jesus war Jude. Ohne das Judentum ist das Christentum nicht denkbar. Deshalb müssen Juden bei Christen eine besondere Wertschätzung genießen. Dieser Jude, Jesus von Nazareth, hat den Gott Israels dann über die Grenzen Israels hinaus allen Menschen und Völkern zugänglich gemacht. Und da gelten keine Unterscheidungen mehr, weder nach ethnischem Hintergrund noch nach der Kultur noch irgendwelche anderen. Die Weihnachtsbotschaft gilt über alle Grenzen hinweg.

Ich bin beim Nachdenken über die Interpretationen der Schüler*innen noch an einer anderen Frage hängen geblieben: Handelt es sich bei der Figur in der Mitte um einen Engel oder eine Schülerin? Oder anders gefragt: Wer behütet hier eigentlich wen? Ein Engel die Schule? Oder ist die Schule ein Ort der Geborgenheit? Oder die Kirche? Vielleicht ist die Doppeldeutigkeit der Figur in der Mitte ja ganz sachgemäß. Gott ist an Weihnachten Mensch geworden. Gott ist in die Menschheit eingegangen. Wir sollen einander so begegnen, wie er uns begegnet. Wir sollen einander zu Engeln werden. Wir tragen die Schule und auch die Kirche in unseren Händen.

„Gott hat keine anderen Hände als unsere Hände“ sind manche Christ*innen überzeugt. Als evangelische Schule, als Schule, die für sich eine christliche Grundhaltung in Anspruch nimmt, tragen wir ein Stück Verantwortung dafür, wie der christliche Glaube wahrgenommen wird. Setzen wir uns für das Schwache und Schutzlose ein – so wie die Mutter mit dem neugeborenen Kind? Spiegelt sich das in unserem Umgang miteinander wider? Machen wir die Not von Kindern in anderen Teilen der Welt zu unserem Anliegen? Z.B. durch die Patenaktion der Kindernothilfe? Setzen wir uns dafür ein, dass Menschen anderer Herkunft und anderer Hautfarbe sich bei uns willkommen und wohl fühlen? Treten wir dafür ein, dass das Judentum seinen selbstverständlichen Platz hat – auf der Welt, in seinem Staat Israel und in unserer Gesellschaft? Und treten wir dafür ein, dass Menschen auf der Flucht bei uns nicht nur eine Herberge, sondern ein Zuhause finden? Jesus war schließlich nicht nur Jude, sondern als kleines Kind schon Flüchtling vor der Gewalt des Herodes.

Noch einmal zurück zum Motiv des Schutzes. Ps 91 wird oft so verstanden, dass die Gläubigen unter dem Schutz Gottes sind. Dass das nicht überall buchstäblich gilt, bekommen wir täglich durch die Nachrichten vor Augen geführt. Viele Menschen, die in Gaza, in Israel, in der Ukraine oder an anderen Orten der Welt vergeblich Schutz suchen, sind gläubig. Sie glauben an den Gott Israels, an den Gott der Christenheit, an Allah oder an andere Götter. Möglicherweise glauben sie aber auch alle an den einen Gott, der sich Menschen in verschiedenen Gestalten offenbart. Der in den Augen gläubiger Christen an Weihnachten Mensch geworden ist. Und doch sind für viele dieser Menschen ihr Leben, ihre Gesundheit, ihr Hab und Gut nicht sicher. Der Schutz Gottes ist offenbar keine Sicherheitsgarantie.

Trotzdem ist es möglich, dass Menschen sich in seinen Armen geborgen fühlen, was immer auch passiert. Dass sie durch seine Gegenwart zu Menschlichkeit gegen alle Unmenschlichkeit fähig sind. Und dass Menschen wie wir, die das Privileg haben, in Sicherheit, Freiheit und Wohlstand zu leben, in ihm Sinn und Kraft finden. Kraft, auch für die da zu sein, die dieses Privileg nicht haben.

Der Psalm endet mit den Worten: »Er liebt mich, darum will ich ihn erretten; er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen. Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; / ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen. Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.« An Weihnachten hat Gott uns sein Heil sehen lassen. Amen.

Arnold Glitsch-Hünnefeld

Dialoge zum Bild von Antonio Zecca:

Dialog der Sechstklässler

Dialog der Siebtklässler

Wir wünschen allen Mitarbeitern, Schülern, Eltern ein gesegnetes Weihnachtsfest

und einen guten Start in ein von Gott getragenes Jahr 2024.