Warten und Hoffen
Mittwochsandacht_online

Bilder: Gudrun Mau / Gerlinde Stauß
Wer von Euch in diesen Tagen mit dem Schulbus morgens angekommen ist, geht seinen Weg auf den Schulcampus vielleicht an den erleuchteten Fenstern des Gemeindehauses vorbei. Seit knapp zwei Wochen sind sie wieder mit Adventsbildern geschmückt. Bilder aus Transparentpapier, Bilder die transparent werden, die die Hoffnung des Advent durchscheinen lassen. Zwei davon möchte ich heute mit Euch betrachten.
„Wie lange noch?“ fragt das Adventsbild von Gudrun Mau. Unruhige Formen schließen einen hellen Kreis ein. Die Unruhe des Wartens. Innere Unruhe wird durch unruhige Zeiten verstärkt. Warten worauf? Auf ein Licht am Ende des Tunnels? Warten zwischen Adventskranz und hell strahlender Sonne? Im Adventslied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ heißt es in der dritten Strophe: „O klare Sonn, du schöner Stern. Dich wollten wir anschauen gern. O Sonn, geh auf, ohn deinen Schein in Finsternis wir alle sein“.
In ihren Gedanken zu dem Bild beleuchtet Gudrun Mau verschiedene Facetten des Wartens. Persönliche Vorfreude wie das Warten der Kinder auf Weihnachten oder gestresster Erwachsener auf den Urlaub. Das ungeduldige Warten auf die Genesung nach einer langen Krankheit. Die Sehnsucht der Welt auf eine helle Zukunft jenseits von Umweltzerstörung und Krieg. Diese Sehnsucht treibt Menschen auch im Advent um. Christus ist geboren und zugleich warten wir auf ihn.
Dieses Warten der ganzen Schöpfung beschreibt auch der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer. Auch dieser Brief ist nach Weihnachten geschrieben. Paulus schreibt: „Die ganze Schöpfung wartet doch sehnsüchtig darauf, dass Gott die Herrlichkeit seiner Kinder offenbart. Denn die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, allerdings nicht durch eigene Schuld. Vielmehr hat Gott es so bestimmt. Damit ist aber eine Hoffnung verbunden: Denn auch die Schöpfung wird befreit werden aus der Sklaverei der Vergänglichkeit. Sie wird ebenfalls zu der Freiheit kommen, die Gottes Kinder in der Herrlichkeit erwartet. Wir wissen ja: Die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt vor Schmerz wie in Geburtswehen – bis heute. Und nicht nur sie: Uns geht es genauso! Wir haben zwar schon als Vorschuss den Geist Gottes empfangen. Trotzdem seufzen und stöhnen auch wir noch in unserem Innern. Denn wir warten ebenso darauf, dass Gott uns endgültig als seine Kinder annimmt. Dabei wird er auch unseren Leib von der Vergänglichkeit erlösen. Denn wir sind zwar gerettet, aber noch ist alles erst Hoffnung. Und eine Hoffnung, die wir schon erfüllt sehen, ist keine Hoffnung mehr. Wer hofft schließlich auf das, was er schon vor sich sieht? Wir aber hoffen auf etwas, das wir noch nicht sehen. Darum müssen wir geduldig warten.“ (Röm 8,19-25)
Christus ist schon in die Welt gekommen. Gleichzeitig warten Christ*innen und mit ihnen die ganze Schöpfung auf ihn. Darauf, dass er die Welt endgültig aus dem Dunkel erlösen wird. Was sie dabei nicht aufgeben lässt, ist Hoffnung. Paulus schreibt, dass man nicht auf etwas hofft, was schon erfüllt ist. Luther übersetzt hier: „Hoffnung, die man sieht, ist nicht Hoffnung“. Richtig ist, dass Hoffnung sich auf etwas richtet, das noch aussteht. Aber Hoffnung ist auch mehr als reines Wunschdenken oder eine unstillbare Sehnsucht. Hoffnung braucht etwas, das sie entfacht und am Leben erhält. Eine Zusage oder sichtbare Zeichen. Lichter im Dunkel – mögen sie auch klein sein.
Die Gleichzeitigkeit von Dunkel und Hoffnung ist auch in dem Bild von Gerlinde Stauß ausgedrückt. Im Zentrum das Kind in der Krippe, eingebettet in einander überlagernde Symbole. Der Stern umstrahlt die Krippe. Ihn umgeben ein Herz, ein Dreieck für die göttliche Dreieinigkeit und ein strahlend helles Licht wie die Sonne. Die Welt ist erhellt, weil der dreieinige Gott der Schöpfung seine Liebe ins Herz gegeben hat in dem Kind in der Krippe. Sein Licht scheint in der Dunkelheit.
Und dieses Kind hält auch den Erdkreis zusammen. Die Verbindung ist durch den Regenbogen ausgedrückt. Auf dem Erdkreis sind Facetten der Welt und unserer Zeit abgebildet. Wie auf einem Ziffernblatt sind sie angeordnet. Zwölfmal zwei Paare aus Bedrohung und Hoffnung. Bedrohung durch Explosionen und Kampfflugzeuge, rauchende Fabrikschlote und vermüllte Meere, Dürre und Armut. Hoffnung durch ein Licht in der Dunkelheit, Wald und Grünflächen, Trinkwasser und ein Wohnhaus.
Gerlinde Stauß ordnet den zwölf Paaren jeweils einen Satz zu. Dabei verknüpft sie die Botschaft der Engel aus der Weihnachtsgeschichte mit Botschaften für die Gegenwart. Die Gleichzeitigkeit der Hoffnung damals und heute. Der Regenbogen, der das Weihnachtsgeschehen mit dem Erdkreis unserer Gegenwart verbindet, ist selbst ein Symbol der Hoffnung. Er steht für Gottes Zusage, dass er das Leben auf der Welt nicht noch einmal vernichten will. Er wird nicht zulassen, dass das Licht seiner Hoffnung ausgelöscht wird.
Wie gesagt: Hoffnung braucht Zeichen. Die große Zusage von Weihnachten und die kleinen Zeichen in der Gegenwart. Deshalb ist sie seit 2000 Jahren lebendig. Eines der kleinen Hoffnungszeichen auf dem Erdkreis ist ein Schulbus. Das ist für mich ein treffendes Symbol. Zeichen der Hoffnung, das seid für mich auch Ihr. Kinder und Jugendliche – und auch Erwachsene (Kolleginnen und Kollegen). Menschen, die ganz sicher nicht immer alles richtig machen, die manchmal Blödsinn machen und auch ganz schön nerven können. (Und da nehme ich mich nicht aus.) Menschen, die an dieser Schule eine Gemeinschaft bilden, die mir einen Grund geben, Tag für Tag hierher zu kommen, bei denen ich viel Liebenswertes, viel Potenzial und viel schon jetzt Wunderbares finde. Menschen, die etwas tun.
Hoffnungsvolles Warten kann auch produktiv genutzt werden. Das Warten im Advent meint nicht, die Hände in den Schoß zu legen und Gott mal machen zu lassen. Sondern die Hoffnung will dazu motivieren, sich für das Licht einzusetzen, selbst Licht zu werden und mag es noch so vorläufig sein. Paulus schreibt ein paar Kapitel weiter hinten im Römerbrief: „Unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“ (Röm 13,11f) Lasst uns leben im anbrechenden Licht des Tages.
Arnold Glitsch-Hünnefeld



