„Wer geht denn, bitte, nach Wien?“
Studienfahrt der Jahrgangsstufe
„Studienfahrt nach Wien“. Wer geht denn, bitte, nach Wien? Vor allem, wenn Reiseziele wie zum Beispiel Valencia oder die Liparischen Inseln angeboten werden. Diese Frage stellten sich nicht wenige nach der Bekanntgabe der Reiseziele für die Studienfahrten der Jahrgangsstufe II.
Dennoch oder gerade deswegen machte sich eine kleine Gruppe von 13 Schülerinnen und Schülern in umsichtiger Betreuung durch die begleitenden Lehrkräfte Frau Maras und Herr Dinkelaker am Montagmorgen auf, um von Zürich aus den Flieger nach Österreich zu nehmen, zum Glück ohne streikendes Bodenpersonal.
Schon ab dem ersten Tag erkannten wir, dass die Bezeichnung „Studienfahrt“ unseren Aufenthalt in Wien sehr gut beschreibt. Herr Dinkelaker erklärte uns schon vorher, dass die Studienfahrt kein Urlaub (mit allem, was dazugehört), sondern eine kulturell anspruchsvolle und seriöse Bildungsreise darstellen soll. Selbstverständlich gehören Spaß und genug Freizeit um die Umgebung auszukundschaften oder auch das eine oder andere Souvenir als Erinnerung zu erwerben dazu.
Aber grundsätzlich ist die Intention einer Studienfahrt die Erweiterung des Wissens aus dem doch oft sehr theoretisch geprägten Unterricht in der Schule, das Kennenlernen von Traditionen und Merkmalen einer anderen Kultur oder Erlebnisse, die über die eigene Komfortzone hinausgehen und welche man nur direkt vor Ort hautnah erleben kann. So gehören auch die Besichtigung des kulturellen Erbes einer Stadt oder eines Landes und die Sehenswürdigkeiten explizit dazu.
Wie Herr Dinkelaker zu recht bemerkte, begeben sich heutzutage viele auf teure Reisen in ferne Länder, wobei das Hauptaugenmerk eher auf Erholung und Entspannung gelegt wird, als auf die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten. Suum cuique, jedem das Seine. Niemand, der einen stressigen Alltag hat, sollte auch noch in seinem sicher wohlverdienten Urlaub von Monument zu Monument hetzen, aber es ist natürlich trotzdem schade, wenn man sich so kostbare Gelegenheiten entgehen lässt.
Den perfekten Ausgleich zwischen beiden Extremen schaffte unser Programm auf jeden Fall: jeden Tag besuchten wir mindestens eine oder zwei bekannte Sehenswürdigkeiten, worunter die freie Zeit, die uns zur eigenen Verfügung stand, keineswegs litt.
Am Montag, unserem Anreisetag, begannen wir die Fahrt mit einem gemeinsamen Essen in einem alten Gasthaus in der Vorstadt Wiens, wo die meisten gleich ihr erstes Wiener Schnitzel genossen. Den späten Nachmittag nach dem Einchecken im Hotel nutzen einige, um durch den Schlosspark des nahegelegenen Schloss Schönbrunn zu flanieren.
Als passender Einstieg in die historische Seite der Hauptstadt erwies sich der Dienstagmorgen, an dem wir eine Stadtführung durch die Innenstadt machten, die im Bezirk I von insgesamt 23 Bezirken liegt, in welche Wien aufgeteilt ist. Unsere Stadtführerin zeigte uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten: die Albertina, eines von allein 60 Museen im ersten Bezirk, die Augustinerkirche mit dem leeren Grabmal der Maria Christine, Lieblingstochter Kaiserin Maria Theresias, die Österreichische Nationalbibliothek, die Appartements der ehemaligen Kaiserfamilie, wo heute auch das „Sisi“-Museum liegt, den Heldenplatz, auf dem der Diktator A. Hitler seine berühmt-berüchtigte Rede nach Deutschlands Einmarsch in Österreich gehalten hatte.
Alle diese Sehenswürdigkeiten liegen entlang der alten Stadtmauer und gehören mit den beiden Zwillingsgebäuden, dem Naturhistorischen Museum und dem Kunsthistorischen Museum, zu dem weitläufigen Gebäudekomplex der Hofburg. Natürlich durfte ein kleiner Abstecher zum Stephansdom und ein Spaziergang durch die vielen verwinkelten Gassen der Altstadt, bei dem wir ein Blick in das Mozarthaus Wien sowie zwei katholische Kirchen, der Franziskanerkirche und der Malteserkirche des berühmten gleichnamigen Ordens warfen, nicht fehlen.
Am Nachmittag besichtigten wir die Wiener Staatsoper, die direkt neben der Albertina im Zentrum liegt, wobei wir nicht nur den prunkvollen Innenraum bewundern, sondern auch einen Blick hinter die Bühne mit den verschiedenen Kulissen und laufenden Vorbereitungen für die abendliche Vorstellung und sogar in den Orchestergraben werfen durften. Abgerundet wurde dies durch den darauffolgenden Besuch der Oper „Werther“ des französischen Komponisten Jules Massenet nach dem berühmten Briefroman Johann Wolfgang von Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“.
Man hat selten die Chance ein so herausragendes Orchester wie die Wiener Philharmoniker mit namhaften Solisten live zu erleben und dann noch in Form einer Vorstellung in der Wiener Staatsoper. Somit war dieser Abend ein absoluter Höhepunkt unserer Studienfahrt. Am darauffolgenden Tag besichtigten wie das ORF-Zentrum im 13. Bezirk, wo wir im Rahmen einer Führung eines langjährigen Mitarbeiters eine Backstage-Tour machten und uns die Filmstudios, in welchen die Sendungen für das Österreichische Fernsehen produziert werden, ansahen.
Im Anschluss daran besuchten wird Schloss Belvedere im Bezirk 3, wo wir im wunderschön angelegten Schlosspark unsere vorbereiteten Referate hielten. Natürlich sahen wir uns auch das Kunstmuseum selbst an, in welchem Werke vom Mittelalter bis zur Moderne ausgestellt sind, wobei ein Schwerpunkt auf Bildern österreichischer Maler, wie E. Schiele , G. Klimt oder O. Kokoschka liegt. So befindet sich im Obergeschoss eine riesige Gustav Klimt-Ausstellung, unter anderem das wohl berühmteste seiner Gemälde „Der Kuss“, das 1908 für 25.000 Kronen erworben und der Galerie Schloss Belvedere übergeben wurde.
Sollte es je zu einem Verkauf kommen, würde der Kaufpreis einen neuen Rekord aufstellen, denn das Gemälde gilt heute als quasi unbezahlbar. Am Donnerstag teilte sich unsere Gruppe auf: während der eine Teil die UNO besuchte, die von ihren vier Standorten auch einen in Wien hat, beobachtete der andere Teil die Lipizzaner der Spanischen Hofreitschule bei ihrer Morgenarbeit im barocken Reitsaal der Hofburg (Winterreitschule). Am Abend genossen wir ein letztes Mal die qualitativ hochwertige wie vielfältige kulturelle Seite der Hauptstadt.
Auch hier gab es verschiedene Möglichkeiten: die einen wohnten einer Vorstellung von „Medea“, einer griechischen Tragödie Euripides im Burgtheater bei, die von Simon Stones in zeitgenössischen Kontext gesetzt und interpretiert wurde, die anderen besuchten das Konzert des Orchestre de l’Opéra national de Paris, welches mit Werken von Sergei Prokofjew („Romeo und Julia“) und Richard Wagner („Liebestod“ aus „Tristan und Isolde„/ „Wesendonck-Lieder“) und der Wagner-Sopranistin Nina Stemme im Wiener Musikverein gastierte.
Ob Theater oder Musik, die Veranstalter schienen an diesem Abend gleichsam die Rolle der Frau in Tragödie/Oper/Drama, die teils komplexe Beziehung zu ihrem Partner und die Bedeutung ihrer Liebe, die meistens leider in Katastrophe oder Liebestod endet, als Hauptthema gewählt zu haben.
Dieser Abend rundete unsere Wienfahrt sehr gelungen ab, denn schon am Freitagmorgen mussten wir uns wieder auf die Heimreise begeben, nicht wenige äußerten den Wunsch gerne noch ein paar Tage länger bleiben zu wollen, doch immerhin hatten die meisten zu diesem Zeitpunkt bereits ein Stück der berühmten Sachertorte im Café des Hotel Sachers gekostet!
Bei vielen Studienfahrten spielt zumeist für Schülerinnen und Schüler oft weniger der fachliche Bezug als die Attraktivität des Reiseziels eine Rolle. Diese Studienfahrt jedoch hat jedem von uns gezeigt, dass es keineswegs „langweilig“ ist, auch einmal unsere deutschsprachigen Nachbarn zu besuchen und deren Hauptstadt Wien, welche als „die“ kulturelle Metropole für Kunst, Geschichte und Musik gilt, näher kennenzulernen.
Julia Voigt