„Gleichwie der Schnee vom Himmel fällt …“

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Er kam still und leise und – zumindest in dieser Menge – überraschend: Der Schnee. Und dank der Fülle hält er sich trotz der zwischenzeitlich milden Tage immer noch hartnäckig.

Vielleicht löst er bei dem einen oder der anderen gemischte Gefühle aus. Er bringt ja durchaus manche Mühsal mit sich: Morgens vor Tau und Tag eine Stunde Schnee schippen und danach Muskelkater an Stellen, von denen ich vorher gar nicht wusste, dass ich da Muskeln habe; Verkehrsbehinderungen in den ersten Tagen; der Müll wurde zum Teil erst mit einer Woche Verspätung abgeholt; abseits der geräumten Straßen und Gehwege werden schon kleine Spaziergänge zu mittleren Expeditionen: Am ersten Morgen Stapfen durch den Tiefschnee, der mir teils bis über die Gamaschen reichte; danach Rutschpartien auf den immer wieder fest überfrorenen Trampelpfaden.

Und doch überwiegt bei mir ein anderes Gefühl: Freude. Der Winter war schon fast zu einer fernen Erinnerung verblasst, die sich in die hohen Bergregionen zurückgezogen hatte. Und jetzt: Schon morgens vor Sonnenaufgang liegt die Welt im leichten Schimmer der Schneedecke. Die Welt klingt anders, der Schnee dämpft alle Geräusche. Es ist, als würde die Welt ein bisschen innehalten. Mitten im Alltag wird die Betriebsamkeit leicht heruntergefahren.

Die Schneelandschaft lockt mich ins Freie. Und das ist gut. Durch Home-Office bzw. Home-Schooling ist die Bewegung in den letzten Wochen viel zu kurz gekommen. Jetzt nehme ich mir konsequent jeden Tag die Zeit für eine Nachmittagsrunde mit dem Hund, die ich sonst oft meiner Frau überlasse, weil der Schreibtisch immer Arbeit parat hält. Allem Stapfen und Schlittern zum Trotz genieße ich das. Und wenn dann bei diesen Gängen das Abendlicht die Schneelandschaft in eine besondere Stimmung taucht, dann bin ich einfach froh.

Schnee ist in unseren Breiten (und Niederungen) zu einer besonderen Erfahrung geworden. In Israel war er schon seit jeher eine eher seltene Naturerscheinung. Entsprechend selten ist in der Bibel von Schnee die Rede. Eine Stelle geht mir in diesen Tagen immer wieder im Kopf herum:

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.“ (Jes 55,8-11)

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken.“ Gott ist immer wieder für eine Überraschung gut. So wie der Schnee, mit man schon fast nicht mehr gerechnet hat. Gott entzieht sich menschlichem Planen und menschlicher Kontrolle. Ich muss mich ihm überlassen, wo ich doch so gerne alles im Griff haben möchte. Der Wintereinbruch ist eine freundliche Einladung, mich darin zu üben. Darin, im Unerwarteten – und vielleicht in mancher Hinsicht sogar im Beschwerlichen – das Schöne zu entdecken.

Gottes Wort bricht unerwartet in die Wirklichkeit ein. Mit dieser Woche endet die Epiphaniaszeit – also der Weihnachtsfestkreis. „Das Wort ward Fleisch.“ Dass Gott Mensch geworden ist, sprengt nach wie vor menschliche Vorstellungen und Erwartungen. „Epiphanias“ bedeutet „Erscheinung“ (des Herrn). In den Liedern und Texten der Epiphaniaszeit ist immer wieder vom Licht des Morgensterns die Rede. Das besondere Licht dieser Wintertage mag uns daran erinnern.

„Der Schnee und der Regen kehren nicht wieder zum Himmel zurück.“ Auch wenn das aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht ganz zutrifft, bleibt doch richtig, was damit ausgedrückt wird: Schnee und Regen machen die Erde feucht und fruchtbar. Gottes Wort verändert die Wirklichkeit. Der Textabschnitt ist Teil einer Heilsverheißung in einer Zeit, als der Zeitgeist und der gesunde Menschenverstand kein Heil mehr erwarteten.

Das Schicksal Judas, Jerusalems und des Tempels schien auf ewig besiegelt. An eine Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft war nicht zu denken. Aber „meine Gedanken sind nicht eure Gedanken“ spricht Gott. Wider Erwarten kündigt der Prophet einen Neuanfang an. Und im Vertrauen auf dieses Wort wagten Menschen die Rückkehr nach Jerusalem und den Wiederaufbau des Tempels. Das Wort schafft Wirklichkeit.

Im Vertrauen auf Gottes Wort kann auch ich mich in Gelassenheit üben und auf einen Neuanfang hoffen, so lange das Warten darauf sich auch noch hinziehen mag. Diese Zuversicht und diese Freude im Unerwarteten wünsche ich Euch und Ihnen allen.

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