Vorfreude

Mittwochsandacht_online

Seit einigen Jahren werden die Fenster des Evangelischen Gemeindehauses in Gaienhofen mit Adventsbildern geschmückt. In den vergangenen Jahren waren es überwiegend Frauen aus der Gemeinde, die sich jeweils ein adventliches Motiv überlegt und dann mit buntem Transparentpapier gestaltet haben. In diesem Jahr wurden die Bilder von Schülerinnen und Schülern aus den Jahrgangsstufen 5 und 6 der Schlossschule gestaltet. Antonio Zecca, unser Kunsterzieher, der sie dabei angeleitet hat, hat ihnen bewusst keine inhaltlichen Vorgaben gemacht. Sie sollten einfach darstellen, worauf sie sich freuen.

Aus den Bildern spricht die spontane Vorfreude. Das, was den Kindern durch den Kopf ging, wenn sie an die Advents- und Weihnachtszeit dachten. Religiöse Motive sind es nur in wenigen Ausnahmefällen. Eher ganz handfeste Dinge. Das, worauf Kinder sich halt so freuen.

Geschenke und Lebkuchen gibt es da zu sehen. Lebkuchen haben ihre eigene Zeit im Jahr. Ihre besonderen Gewürze lassen sinnlich erfahren: Jetzt geht es auf Weihnachten zu. Es ist eine Zeit, die nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Geschmack – überhaupt mit allen Sinnen – erlebt werden will.

Auf Geschenke freuen Menschen sich aus mehreren Gründen. Zum einen natürlich, weil sie – hoffentlich – Freude an dem haben werden, was sie da bekommen. Zum anderen auch, weil da ein Mensch an sie denkt und sich überlegt, was ihnen Freude machen könnte. Ein Geschenk ist ein Ausdruck von Beziehung und persönlicher Zuwendung. Vielleicht sind Geschenke deshalb an Weihnachten zur Tradition geworden, weil Gott sich da in Christus persönlich den Menschen zuwendet.

Eine andere Gruppe von Bildern zeigt Schneemänner oder warm eingemummelte Tiere. Die knackig kalten Wintertage und die Gelegenheiten, Schneemänner zu bauen, sind selten geworden. Wer hätte gedacht, dass Menschen sich einmal nach einem richtig kalten Winter sehnen würden? Auch das gehörte – früher – zum Erleben der Adventszeit mit allen Sinnen: Draußen im Schnee zu toben, Schneeballschlachten zu schlagen, zu rodeln oder vielleicht sogar auf dem zugefrorenen See Schlittschuh zu laufen. Und dann mit roten Nasen und glühenden Wangen in die warme Stube zu kommen und sich mit einem heißen Kakao aufzuwärmen. Bei mir zu Hause wurden dann abends oft die Kerzen am Adventskranz angezündet, Adventslieder gesungen und Strohsterne oder Weihnachtsgeschenke gebastelt. So gesehen stehen die Schneemänner auch für die Sehnsucht nach einer heilen Welt, als sich das Klima noch nicht unnatürlich erwärmt hatte.

Auf zwei Bildern leuchtet über dem Schneemann der Weihnachtsstern. Hier am Ufer des Sees, wo der Lichtsmog nicht so stark ist, ist oft ein schöner Sternenhimmel zu bewundern. Auch dieser Anblick wärmt das Herz. Mit dem Stern kommt die biblische Überlieferung ins Spiel. Ein besonderer Stern wies den Weisen aus dem Morgenland den Weg zum Stall in Bethlehem. Eine solche Himmelserscheinung wurde als Zeichen der Geburt eines Königs gedeutet. In diesem Fall nicht irgendeines Königs, sondern des verheißenen Friedefürsten. Voller Vorfreude machten sich die weisen Männer auf den Weg.

Teil der biblischen Überlieferung sind auch die Engel. Sie sind Boten Gottes. Die Darstellung als geflügelte Wesen ist symbolisch. Menschen können Engel sein. Wenn sie andere die Gegenwart Gottes spüren lassen. Wenn sie sie für die Liebe Gottes öffnen. Wenn sie ihnen die Botschaft vermitteln, dass Gott in ihrem Leben wirken und die Wirklichkeit verändern kann und will.

Ein Engel verkündet Maria, dass sie einen Sohn gebären wird, der der erwartete Retter sein wird. Erwartung wird geweckt. Vorfreude stellt sich ein, als ihre Tante Elisabeth erkennt, dass und mit wem Maria schwanger ist. Es sind düstere Zeiten, in die diese Erwartung und diese Vorfreude fällt. Das jüdische Volk leidet unter der Besatzung und Unterdrückung durch die Römer.

Die Verhältnisse haben sich mit dem Kommen Christi nicht unmittelbar verbessert. Die Besatzung durch Rom blieb bestehen. 70 n. Chr. wurde als Reaktion auf einen Aufstand gegen die römischen Besatzer der Tempel in Jerusalem zerstört. Aber all das konnte weder die Hoffnung der Juden noch die der Christen auslöschen. Das Licht des Advents, die Botschaft der Engel ist bis heute in der Welt – allen düsteren Zeiten zum Trotz.

Auch der Düsternis unserer Zeit. Was uns, die Menschheit und die ganze Schöpfung, bedrückt, verschwindet nicht einfach im Advent oder mit Weihnachten. Aber die Dunkelheit behält nicht das letzte Wort. Der Funke der Hoffnung, der im Advent jedes Jahr auf’s neue entfacht wird, kann Menschen den Mut geben, gegen die Dunkelheit aufzustehen. Wärme und Licht in das Leben ihrer Mitmenschen zu bringen. Vorzuleben, dass ein Leben in Liebe und Respekt möglich ist.

Morgen wird der erste Lichterkranz am Kirchenturm aufgehängt. Wir haben uns dafür entschieden, trotz der Energiekrise dieses Zeichen zu setzen. Der geringe Energieverbrauch der LED-Lichter lässt das vertretbar erscheinen. Und die Menschen nehmen das Licht wahr und freuen sich darüber. Nicht nur die Schulgemeinde, sondern auch viele andere Menschen.

In diesem Jahr hat die SV die Aktion unter das Thema „Frieden“ gestellt. Damals wie heute eine Sehnsucht. Wo wir den Frieden in uns einlassen und ihn weitergeben, soweit es in unseren Möglichkeiten steht, tragen wir zum Frieden in der Welt bei. Und damit tragen wir dazu bei, dass die Vorfreude und das Licht des Advents nicht erlöschen.

Arnold Glitsch-Hünnefeld