Trinitatis aus dem Kalender streichen

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Kirchenfenster der Kathedrale in Lüttich – Foto: Didgeman (pixabay)

Vorweg zwei Vorbemerkungen: 1. In der Mitte der Pfingstferien liegt Trinitatis – das Fest der Dreieinigkeit. Viele kennen seinen Namen nur, weil knapp die Hälfte der Sonntage nach diesem Tag gezählt wird: „1. bis 22. Sonntag nach Trinitatis“ im aktuellen Kirchenjahr.

Vorbemerkung 2: „Publik Forum“, eine nach eigenem Bekunden „kritische, christliche und unabhängige“ Zeitschrift, schafft es immer wieder, mich zugleich anzuregen und aufzuregen. Einerseits bringt sie viele Artikel zum Zeitgeschehen und Glauben, die mich interessieren, zum Weiterdenken anregen oder den Finger in Wunden legen, wo dies nötig ist. Andererseits geht mir die permanente Nörgelei über die Amtskirche und ihre Glaubensinhalte gehörig auf die Nerven.

In der letzten Ausgabe – kurz vor Trinitatis – las ich in „Publik Forum“ einen Artikel, der sich dafür ausspricht, die Dreieinigkeitslehre endlich über Bord zu werfen. Die wesentlichen Argumente des Verfassers, Hermann Häring, einem emeritierten Theologieprofessor aus den Niederlanden, sind folgende: 1. Zwischen der Trinitätslehre und den biblischen Gottesbildern klaffe eine „unüberbrückbare Lücke“. 2. Die Trinitätslehre klammere jede Form des geschichtlichen Denkens aus. Statt mit einer Erzählung wie in vielen biblischen Quellen habe man es mit einer komplizierten Theorie zu tun. Zudem sei sie das theologische Urbild imperialistischer Herrschaftsbilder, angefangen bei den byzantinischen Kaisern. 3. Sie fordere, dass Christus als „einziggeborener“ Sohn verehrt werde, stilisiere das Christentum zur absoluten Religion, was jeden ernsthaften interreligiösen Dialog zerstöre.

Hermann Häring kommt zu dem Zwischenfazit, dass die Dreifaltigkeitslehre kritisiert und von ihrem antiken Überbau befreit werden müsse. So weit, so gut. Dabei bleibt er aber nicht stehen, sondern er erklärt die Trinitätslehre für überholt.

Eine kritische Überprüfung überlieferter Glaubensinhalte ist tatsächlich immer wieder nötig. Da bin ich ganz bei Häring. Allerdings werden mir aktuell zu oft und zu schnell Elemente des Glaubens, die jahrhundertelang zentral waren, für überholt erklärt. Ich bin mir nicht sicher, ob wir wirklich so viel klüger sind als unsere Vorfahren im Glauben. Einiges von Härings Kritik an der Trinitätslehre halte ich für berechtigt, anderes nur bedingt.

Zu seinem ersten Einwand: Richtig ist, dass der „dreieinige Gott“ nicht in der Bibel vorkommt. Dass es eine „unüberbrückbare Kluft“ zwischen der Trinitätslehre und der Bibel gebe, sehe ich allerdings nicht. Vielmehr ist die Trinitätslehre aus biblischen Vorstellungen heraus entwickelt worden. Dazu gehört der Gedanke, dass Gott in Christus Mensch geworden ist, wie er z.B. im Prolog des Johannesevangeliums (Joh 1,1.14) zum Ausdruck kommt. (Häring deutet die Stelle zwar anders, aber keineswegs mit zwingenden Argumenten.) Oder Jesu Taufbefehl an seine Jünger am Ende des Matthäusevangeliums: „Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19).

Zum zweiten Einwand: Als dogmatische Theorie erfordert die Trinitätslehre in der Tat einiges an Gehirnakrobatik und ist für viele Menschen nur schwer nachvollziehbar. Erzählerische Zugänge zum Glauben, wie sie die Theologie seit einiger Zeit wiederentdeckt hat, sind auch mir sehr wichtig geworden. Ich denke aber, dass es möglich ist, sich auch dem dreieinigen Gott mit Hilfe des Erzählens anzunähern. Mehr noch: Ich bin überzeugt davon, dass eine erzählerisch dargelegte Trinitätslehre dabei helfen kann, den Gott der Bibel zu erkennen. Dass die Trinitätslehre zur Legitimation absoluter Herrschaft herangezogen wurde, heißt nicht, dass sie nicht auch anders – und sachgerechter – verstanden werden kann.

Zum dritten Einwand: Dass die offizielle Trinitätslehre für die Kirche Jesu Christi einen „unbedingten, theologisch zwingenden Vorrang“ gegenüber allen anderen Religionen und Weltanschauungen fordere, halte ich schlicht für falsch. Die Kirche ist zwar über Jahrhunderte hinweg mit dem Anspruch aufgetreten, allein im Besitz der universal gültigen Wahrheit zu sein. Aber das gilt für andere – besonders die monotheistischen – Religionen ganz genauso. Mittlerweile hat die Kirche gelernt, zwischen Wahrheits- und Absolutheitsanspruch zu differenzieren, und begegnet anderen Religionen im interreligiösen Dialog mit Respekt und auf Augenhöhe. Und das, ohne die Trinitätslehre über Bord zu werfen.

Warum aber ist mir die Trinitätslehre so wichtig? Weil sie drei Erfahrungen mit Gott miteinander verknüpft, die für meinen Glauben existenziell wichtig sind: 1. Ich erfahre Gott als den Schöpfer, dem auch ich meine Existenz verdanke, und bei dem ich wie bei einer Mutter oder einem Vater geborgen bin. Ich bin von Gott gewollt und geliebt – und jeder andere Mensch auf der Welt ganz genauso. 2. In Jesus Christus ist Gott Mensch geworden. Er hat ein menschliches Antlitz angenommen. Ich darf ihn mir als ein Gegenüber vorstellen, dem ich wie einem Menschen begegnen kann. Er kennt meine menschlichen und allzu menschlichen Erfahrungen aus seinem eigenen Erleben. Und er begegnet mir in Menschen. Jesus Christus ist der erstgeborene Sohn und durch ihn sind wir alle Kinder Gottes. 3. Gott ist als Heilige Geistkraft mitten unter uns gegenwärtig. Diese Kraft ist da und wirkt, auch wenn ich Gott nicht sehen kann. Sie stärkt in mir den Glauben – einer Wirklichkeit zum Trotz, die oft genug so schrecklich ist. Sie öffnet mir die Augen dafür, wie schön die Welt trotz allem ist. Sie verbindet Christinnen und Christen miteinander über alle Grenzen und Zeiten hinweg.

Der Glaube an einen dreieinigen Gott kann daran erinnern, dass Gott in einer einzigen Vorstellung nicht zu fassen ist. Daran, dass keine Vorstellung ihn vollständig beschreiben kann – auch die Trinitätslehre selbst nicht. So gesehen, kann die Trinitätslehre geradezu eine Einladung zur Toleranz sein. Zu einem Glauben, der wahrhaftig ist und für seine Wahrheit einsteht, ohne anderen Religionen und Weltanschauungen ihre Wahrheit abzusprechen. Der Glaube an den dreieinigen Gott trägt mich und lädt mich zugleich zum Dialog mit Anderen ein. Trinitatis hat seinen Platz im Kirchenjahr und in meinem Fühlen und Denken. Vielleicht ja auch in Eurem.

Arnold Glitsch-Hünnefeld