Schwarz – Weiß – Gold

Mittwochsandacht_online

Bildquelle: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Einer der zentralen biblischen Texte für das Thema Gerechtigkeit ist die „Goldene Regel“ aus der Bergpredigt Jesu: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch. Das ist das Gesetz und die Propheten.“ (Mt 7,12)

Ich habe meine Schülerinnen und Schüler aus der 8. Klasse gebeten, sich Beispiele zu überlegen, was diese Regel für ihren Alltag bedeuten könnte. Zwei Schülerinnen haben aufgeschrieben: „Keine Ausgrenzung. Keiner möchte es, trotzdem machen es viele.“  Weitergehend hatte ich danach gefragt, was die Goldene Regel im gesellschaftlichen Zusammenhang bedeuten könnte. Eine Antwort war: „Wir sollen vielleicht nicht urteilen nur anhand der Nationalität oder dem Aussehen, denn wir wollen ja auch nicht diskriminiert werden, nur weil wir Deutsche sind.“

Als wir die Antworten nach den Pfingstferien besprochen haben, stellten die Schüler*innen sofort einen Bezug zum Thema Rassismus her. Inzwischen war in Minnesota der Mord an George Floyd geschehen und die Black-Lives-Matter-Bewegung dominierte die Schlagzeilen. Nun ist Amerika weit weg und es sollte ja um Beispiele aus dem Alltag gehen. „Erlebt Ihr Rassismus hier an der Schule?“ habe ich die Schüler*innen deshalb gefragt. „Nein, hier in der Schule nicht,“ war ihre Antwort „aber man bekommt schon mit, dass auch bei uns in der Gegend Ausländer diskriminiert werden. Blöd angepöbelt oder so.“

Gut, dass unsere Schülerinnen und Schüler sensibel für Diskriminierungen sind und ihre Augen nicht davor verschließen. Ein selbstgerechtes Herabsehen auf die Zustände in den USA steht uns nicht gut an. Gut aber auch, dass nach ihrer Wahrnehmung Rassismus an unserer Schule keinen Platz hat. Ich bin mir bewusst, dass diese Einschätzung nicht zwingend zutreffen muss. Hätten sie es geäußert, wenn es anders wäre? Einem Lehrer gegenüber (auch wenn er Schulpfarrer ist)? Vor der Öffentlichkeit der Klasse und schon gar in der wenig vertraulichen Atmosphäre eines Teams-Meetings?

Trotzdem halte ich diese Einschätzung für nicht ganz unrealistisch. Und ich hoffe, dass sie auch diejenigen aus unserer Schulgemeinschaft bestätigen können, denen man ansieht, dass sie Wurzeln in einem anderen Teil der Erde haben.

Natürlich leben wir in Gaienhofen nicht auf der (Halb-)Insel der Seligen. Natürlich gibt es auch bei uns Ausgrenzung und haben vielleicht gar nicht so wenige Schülerinnen und Schüler keinen leichten Stand. Dass es dabei aber – in der Regel – nicht um Rassismus geht, könnte daran liegen, dass viele unserer Schülerinnen und Schüler einen Hintergrund in einem anderen Land haben. Vielleicht trägt das zu einem offenen Klima bei.

Den Zusammenhang zwischen der Goldenen Regel und der Ablehnung von Rassismus, den die Schülerinnen und Schüler hergestellt haben, halte ich für sachgemäß. Nach dem Zusammenhang zwischen der Goldenen Regel und Gerechtigkeit gefragt hat eine Schülerin geschrieben: „Die Goldene Regel besagt indirekt, dass alle gleich behandelt werden sollen. Gleichheit bedeutet meistens auch Gerechtigkeit.“

Dass alle Menschen vor Gott gleich sind ist eine biblische Grundüberzeugung. Sie lässt sich bis auf die Schöpfung zurückführen: Der Mensch ist zum Ebenbild Gottes geschaffen. Das gilt für jeden Menschen. Diese Würde, Gott ein Gegenüber zu sein, hängt nicht von der Herkunft oder der Hautfarbe ab. Dass Gott ein (weißer?) alter Mann mit weißem Bart sei, steht nirgends in der Bibel geschrieben und ist ohnehin eine eher kindliche Vorstellung.

Eine Grundvoraussetzung für Gerechtigkeit ist also, alle Menschen als Menschen anzunehmen und entsprechend zu behandeln. Das meint mehr als nur, dass man sie nicht beleidigt oder anpöbelt. Die Goldene Regel erschöpft sich nicht in „Was du nicht willst, das man dir tu‘, das füg‘ auch keinem andern zu.“ Jesus fordert dazu auf, aktiv das Gute zu tun, das man sich von anderen Menschen wünscht.

Also offen auf andere zuzugehen und ihnen Freundlichkeit und Anerkennung zu kommunizieren. Einander Hilfe zu leisten. Und anderes mehr. Und das nicht nur unabhängig von der Hautfarbe, sondern auch unabhängig von sozialem Status, Geschmack in Bekleidungsfragen und was uns sonst noch voneinander unterscheidet. Vor Gott sind wir alle gleich. In Bezug auf dieses Ideal für den Umgang miteinander ist immer noch Luft nach oben – auch bei uns an der Schule. Arbeiten wir daran! Mit Gottes Hilfe.

Arnold Glitsch-Hünnefeld

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