Prüfungen in Sonderzeiten

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„Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.“ (Ps 66,20)

Prüfung – jetzt hilft nur noch beten? Ist es so dramatisch? Zunächst einmal handelt es sich bei diesem Bibelwort schlicht um den Wochenspruch für diese Woche. „Beten“ ist das Thema für den vergangenen Sonntag „Rogate“ und für diese Woche im Kirchenjahr. Und irgendwie passt das für eine Prüfungswoche ja durchaus. Pfr. Klaus hat in seiner Predigt am Sonntag in der Melanchthonkirche auf Dietrich Bonhoeffer Bezug genommen, der gesagt hat:

„Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.“ Prüfungen sind ein Tun. Natürlich! Aber es tut ganz gut, sich daran zu erinnern, dass wir in unserem Tun nicht allein auf uns gestellt sind. Und auch die Prüfungen, die diese Woche begonnen haben, finden in einem größeren Kontext statt.

In diesem Jahr in besonderer Weise. Corona wirkt sich auch auf die Gestaltung der Prüfungen aus. Angefangen dabei, dass der Termin verschoben ist. Anderes ist gar nicht so anders. Einzeltische, die auf Abstand stehen, sind auch ohne das Virus Standard. Dass jeweils nur eine Person auf die Toilette darf, ebenfalls. Dass jetzt noch Desinfektionsmittel bereitsteht, fällt wohl kaum ins Gewicht.

Und manches mag sogar ein Vorteil sein. Da außer den Prüflingen nur wenige andere auf dem Campus unterwegs sind, wird es insgesamt ruhiger sein als in anderen Jahren. Trotzdem: Durch den späteren Termin sind die Räume stärker aufgeheizt. Die Unterbrechung des Arbeitsrhythmus von mehreren Wochen wird die eine oder andere Unsicherheit verstärkt haben. Realschulentlassfeier und Abifeier stehen in den Sternen. Dabei wäre die Vorbereitung dieser Feiern eine willkommene Ablenkung vom Lernstress gewesen. Überhaupt gab es wenig Möglichkeiten sich abzulenken. Und auch das Lernen in Gruppen war schwieriger als in anderen Jahren. Die Prüfungen sind eine Herausforderung – in diesem Jahr mehr noch als sonst.

Trotzdem ist es gut, sich vor Augen zu führen, dass Wohl und Wehe einer Prüfung nicht nur von den äußeren Umständen abhängen, nicht nur von der Vorbereitung und der Tagesform, ja nicht einmal ausschließlich vom Ergebnis. Mein zweites theologisches Examen fand in einer Ausnahmezeit statt. Die mündliche Prüfung in Predigtlehre, meinem Schwerpunktfach, hatte ich am 12. September 2001.

Mitten in die letzten Vorbereitungen am Vortag brachen die Bilder von den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon. Diese Bilder brannten sich in den Kopf ein. An ein konzentriertes Arbeiten war nicht mehr zu denken. Dazu immer die Gedanken, wie unwesentlich so eine Prüfung war im Angesicht dessen, was Tausenden von Menschen und Familien da widerfahren war.

Und trotzdem fand die Prüfung ja am nächsten Tag statt. Sie lief nicht ganz so gut, wie ich mir das erhofft hatte. Ob das nun an dem letzten Quäntchen Vorbereitung und Konzentration lag, das mir fehlte? Vielleicht war ich auch einfach nicht ganz so gut, wie ich mich selbst eingeschätzt hatte? Vielleicht war die Prüfungskommission aufgrund der Ereignisse sogar großzügiger als sonst und ich hätte unter anderen Umständen noch ein paar Zehntel weniger geholt?

Müßig, darüber zu spekulieren. Am Ende war diese Frage nicht wirklich wichtig. Das Ergebnis hat immer noch locker gereicht, um in den Pfarrdienst übernommen zu werden. Und nach Examensnoten fragt schon bald ohnehin niemand mehr.

Auch abgesehen davon habe ich die Erfahrung gemacht, dass Dinge, die ich mir anders gewünscht oder vorgestellt hatte, sich zum Guten entwickelt haben. Sowohl der Ort für mein Lehrvikariat als auch der für meinen Probedienst entsprachen nicht den Wünschen, die ich bei der Landeskirche angemeldet hatte. Und doch waren diese beiden Zeiträume ungeheuer fruchtbar für mich und ich habe rückblickend den Eindruck, dass ich in Blankenloch und Britzingen jeweils genau am richtigen Ort war.

Gott erfüllt uns nicht jeden Wunsch. Aber er kann und will die Dinge zum Guten lenken. In einem anderen Psalmwort heißt es: „Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch.“ (Ps 68,20) Das gilt für Prüfungen ebenso wie für das Leben überhaupt. Er trägt uns in unserem Tun, wenn es das Richtige ist. Wir müssen nicht meinen: „Prüfung – jetzt hilft nur noch beten!“ Aber beten hilft. (Arnold Glitsch-Hünnefeld)

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