„Passion“

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Was ist diesen auf den ersten Blick völlig unterschiedlichen Bildern gemeinsam? Sie alle haben etwas mit dem Wort „Passion“ zu tun. Eine passionierte Sängerin, ein Parfum „Coconut Passion“, ein Filmplakat, das leidenschaftliche Eifersucht ausdrückt, eine Passionsfrucht und natürlich Darstellungen der Passion Christi.

„Passion“ – ein Begriff mit vielfältigen Bedeutungen. Wenn ein Mensch sagt „Gesang ist meine Passion“ meint er, dass er leidenschaftlich gern Gesang hört oder selbst singt. Meist geht damit ein gewisses Können einher. Passion hat hier etwas mit einem Tun zu tun. Umgekehrt bedeutet Passion auch Leiden. Wenn man etwas erleidet, tut man das häufig eher passiv. Und gelegentlich sind Leidenschaft und Leiden miteinander verbunden. Wie in dem Sprichwort „Eifersucht ist Leidenschaft, die Leiden schafft“.

Wir stehen am Beginn der Passionszeit. Je nach Tradition beginnt sie mit dem Aschermittwoch oder mit dem vergangenen Sonntag, dem Sonntag „Invokavit“. Die Passionszeit ist eine besondere Zeit, eine Zeit, in der Leiden und Leidenschaft in besonderer Weise verbunden sind. Mir ist diese Zeit des Kirchenjahres besonders wichtig. Weil sie eine Zeit der Vorbereitung ist. Weil sie ins Zentrum des christlichen Glaubens führt. Und weil sie dabei nicht so sehr von allerlei weltlichen Bräuchen und Traditionen überlagert ist wie die andere große Vorbereitungszeit des Kirchenjahres, die Adventszeit. Eigentlich ist auch diese eine Fastenzeit. Aber ich liebe die Adventsleckereien viel zu sehr, als dass ich im Advent fasten wollte.

Anders die Passionszeit. Auch da ist Fasten längst keine Pflicht mehr. Aber ich verzichte in dieser Zeit freiwillig und gerne auf das eine oder andere, um mich auf den Kern meines Glaubens zu konzentrieren. Auf diese Weise ist die Passionszeit herausgehoben aus dem Einerlei des Alltags. In der Adventszeit bereite ich mich auf das Kommen Jesu vor. In der Passionszeit gehe ich ein Stück seines Weges mit ihm.

Ein Motiv in dieser Zeit ist Wüste. Das Evangelium für den Sonntag Invokavit ist die Geschichte von der Versuchung Jesu. Jesus wird vom Geist in die Wüste geführt. 40 Tage ist er allein mit sich selbst. 40 Tage fastet er. Hitze quält ihn, Hunger und Durst. Nach 40 Tagen begegnet ihm der Versucher. Der erkennt, dass Jesus ganz Mensch ist. Er wittert einen Moment der Schwäche bei Jesus und versucht ihn von Gott abzubringen. Damit ist der Ton der Passionszeit gesetzt. Leiden und Leidenschaft.

Peter Gabriel hat auf seinem Album „Passion“ diesen Ton in Töne umgesetzt. Ursprünglich als Soundtrack für den Film „Die letzte Versuchung Christi“ konzipiert, hat er die Musik weiter entwickelt und zu einem eigenständigen Album vollendet. Das Bild zeigt das Cover des Albums. Fahles Licht wie in der flirrenden Mittagshitze in der Wüste. Die Musik nimmt diese Stimmung auf. Der Blick geht weg in die Ferne. Andeutungen von Stacheldraht oder einer Dornenkrone. Schmerz, Durst, Einsamkeit. Der Höhepunkt der Passion: Das Kreuz.

Warum führt dieser Weg ins Zentrum des Glaubens? Warum nicht ein fröhlicherer Weg? Sind Christen Masochisten? Nein. Die Freude hat im christlichen Glauben reichlich Platz. Dass Gott in Christus Mensch geworden ist, ist ein Grund zur Freude. Und auch am Ende der Passionszeit steht mit Ostern ein Freudenfest. Aber der christliche Glaube klammert das Leiden nicht aus. Er lässt die Leidenden nicht im Stich. Er holt die Welt und die Menschen da ab, wo sie stehen. Auch und gerade die, die unter der Welt, ihren Versuchungen und Schrecknissen zu leiden haben.

Wenn Menschen mit Jesus den Weg seines Leidens gehen, können sie die Erfahrung machen, dass er ihnen ganz nahe kommt. Dass in seiner Wüstenwanderung zum Kreuz ihre inneren Wüsten aufgehoben sind. Dass die Brüche in ihrem Leben Teil eines größeren Ganzen sind. Jesus ist den Weg des Leidens aus einer bewussten Entscheidung heraus gegangen. Es war kein blinder Kadavergehorsam. Sein Weg ist Ausdruck seiner Leidenschaft für das Leben und die Menschen. Für sie hat er sich dahingegeben. Aus freien Stücken und im Einverständnis mit dem Vater.

So wird aus seinem Leiden und Sterben am Kreuz ein Segen für die Welt. Im Raum der Stille in der Klosterkirche St. Michael auf dem Schwanberg ist das ausgedrückt. Der Corpus des Kruzifixus hängt nicht mehr am Kreuz, sondern breitet seine Arme segnend über die Welt. Am Ende der Passionszeit steht nicht der Tod, sondern das Leben. Auf Jesu Sterben folgt seine Auferweckung. Aus der Kargheit des Spätwinters wird die Fülle des Frühlings. Aus dem Schmerz das Karfreitags wird die Osterfreude. Aus Leiden am Tod wird Passion für das Leben.

Arnold Glitsch-Hünnefeld

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