„Du bist ein Gott, der mich sieht.“

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Bild zur Jahreslosung 2023 von Heidi Reubelt

© Heidi Reubelt, Dezember 2022 – Zeichnung / Collage mit Ölpastellen, mit Graphitstift bearbeitet

In den vergangenen Wochen haben wir vermutlich Schule und Alltag vergessen können und Weihnachten gefeiert, das neue Jahr begrüßt, sind vielleicht noch als Sternsinger selbst durch die Gemeinde gegangen oder gesegnet worden. Wahrscheinlich waren wir alle unter Menschen, haben Freunde und Familie getroffen und uns gefreut viele liebgewonnene Menschen wiederzusehen.

Von der Heiterkeit und Fröhlichkeit, die uns diese Zeit bereitet hat, zehre ich immer eine lange Zeit. Und ich weiß heute auch, dass nach dem Weihnachtsfest vor dem nächsten Weihnachtsfest ist, auf das ich mich in weniger als 360 Tagen freuen darf. Auftanken im Alltag und innehalten, um sich auf das wirklich Wichtige zu besinnen, wird mir immer wichtiger.

Denn ich zumindest erlebe in meinem Alltag nicht immer Stunden, in denen ich das Gefühl habe, alles läuft wie am Schnürchen, alles gelingt mir und ich bin geborgen und wohl aufgefangen:

  • gerade, wenn ich daran denke, was gerade alles in der Welt passiert und in welchen Krisensituationen meine Mitmenschen sich befinden.
  • vielleicht auch, welchen Anteil ich daran habe und inwieweit ich meiner Verantwortung gerecht oder nicht gerecht wurde.
  • vielleicht auch, weil ich dabei in den Streit mit Mitmenschen geraten bin, zu streng im Unterricht war, etwas übersehen habe, mich über mich oder andere ärgere.

Dann würde ich mich manchmal gerne einfach verstecken, einfach unsichtbar werden für die anderen, in deren Augen ich nicht gut genug war, für deren Augen ich mich gerade unnütz empfinde oder gar mich schäme. Denn ich höre schon die Worte: „Das hast Du falsch gemacht, da warst Du nicht gut genug, hättest DU nicht mehr lernen können, wenn DU dich mehr angestrengt hättest…“ Oder ich sehe, wie andere in meinen Augen einfach besser, schöner, freundlicher, engagierter sind als ich.

Aber ist das wirklich so? Ist es nicht oft nur so ein Gefühl, dass ich nicht für diese Welt genüge? Den Kopf in den Sand zu stecken oder die Hände vor die Augen zu halten sind typische Gesten und Sprichwörter sich selbst zu verstecken, einfach zu entfliehen und abzuhauen. Dabei übersehen wir oft, dass wir als Menschen es wert sind unterschiedliche Begabungen zu haben, und es wert sind miteinander im Diskurs zu bleiben.

Denn in solchen Situationen kann es leicht sein, dass wir uns verloren fühlen und keinen Ausweg sehen. Wir können Angst haben und uns alleine gelassen fühlen.

Immer dann denke ich: Ist mein Glaube eine gute Basis? Die Bibel gerade im Alten Testament erzählt viel von solchen Situationen:

  • Situationen, in denen Menschen wie Abraham und seine Frau herausgefordert werden.
  • Situationen, in denen sich Menschen hinterfragen, in denen Menschen mit ihrer Welt und ihrem Leben hadern oder sogar in Versuchung geführt werden.

Dann ist es gut, dass wir wissen, dass wir niemals alleine sind. In der Erzählung, die der Jahreslosung zu Grunde liegt, wird Abraham auf Grund seiner kinderlosen Ehe mit Sarai dazu verleitet mit einer Zweitfrau Hagar, der Magd von Sarai, ein Kind zu zeugen, was zu Spannungen zwischen den beiden Frauen führt. Keine der beiden fühlt sich wohl in der Situation und es kommt dazu, dass die Magd vor Sarai in die Wüste flüchtet. Im Zwiegespräch zu Gott erscheint ihr ein Engel, der ihr verkündet, dass sie sich trotz der Situation zu Sarai zurückbegeben möge und sich Sarai unterordnen soll. Für uns sicherlich absolut unverständlich, aber Hagar kehrt zurück, schenkt Ismael das Leben und könnte sich sicher schätzen, dass der Schutz Gottes über allen lag, denn Gott hatte in dieser Situation ein wachendes Auge über alle Protagonisten geworfen.

Wenn ich darüber nachdenke, beruhigt mich diese Erzählung in meinem Alltag. Nicht, dass ich nun mir eine Zweitfrau suche oder irgendwie mich verleiten lasse, den einen und den anderen gegeneinander auszuspielen. Nein, vielmehr erfahre ich daraus, dass es manchmal sinnvoll ist, sich eben nicht wie Hagar auf der Flucht vor der Realität wegzuducken, sondern im Diskurs zu bleiben, um eine Lösung zu finden. Dabei darf ich darauf vertrauen, dass Gott meinen Weg begleitet, er mich sieht und für mich ein waches Auge haben wird.

Als ich begonnen habe mir über die Jahreslosung Gedanken zu machen, ist mir eine viel brutalere Bibelgeschichte eingefallen, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Im Buch Hiob geht es um einen Mann, der von Gottes Gegenwart und Liebe überzeugt ist, auch wenn er viele schwierige Prüfungen durchmachen muss. Hiob wird von Satan herausgefordert und verliert alles, was ihm lieb und teuer ist: Seine zehn Kinder, sein Vermögen und seine Gesundheit. Trotzdem bleibt er in seinem Glauben fest und vertraut darauf, dass Gott ihn sieht und für ihn sorgen wird. Auch Hiob baut darauf:

„Du bist ein Gott, der mich sieht, und ich werde deinem Angesicht gegenüberstehen.“

Gerade mit diesen Worten gibt Hiob zu verstehen, dass er weiß, dass Gott ihn nicht verlässt und ihm immer beistehen wird.

Die Aussage der aktuellen Jahreslosung „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ kann uns ermutigen, ähnlich wie Hiob und Sarai bzw. Hagar, in unserem Glauben festzuhalten, auch wenn wir schwierige Zeiten durchleben. Sie erinnert uns daran, dass Gott uns sieht und immer bei uns ist, um uns zu führen und zu beschützen. Sie gibt uns die Kraft, durch alle Prüfungen hindurchzugehen und in unserem Glauben festzuhalten, denn wir wissen, dass Gott bei uns ist und uns nie alleine lässt.

Gott begleitet uns auch im schulischen Alltag. Er weiß, wie schwer wir uns bemühen und wie sehr wir uns anstrengen, um etwas zu lernen oder Wissen und Kompetenzen weiterzugeben. Deshalb können wir uns darauf verlassen, dass er uns hilft und uns führt, wenn wir uns verloren fühlen oder uns schwierige Aufgaben stellen. Wir müssen uns nicht alleine durchkämpfen, sondern können Gott um Hilfe bitten und von seiner Gegenwart trösten lassen.

Wenn wir Misserfolg haben, kann uns die Jahreslosung daran erinnern, dass Gott uns trotzdem sieht und uns liebt. Er verlässt uns nicht, sondern stärkt uns, aus unseren Fehlern zu lernen und daraus zu wachsen. Wir müssen uns nicht von Misserfolgen entmutigen lassen, sondern können Gott um Hilfe bitten und ihm vertrauen, dass er uns leiten wird.

Aber auch wenn wir Erfolg haben, können wir Gott dafür danken, dass er uns sieht und uns hilft. Wir können ihm die Ehre geben und uns bewusst machen, dass wir ohne seine Hilfe nichts erreichen könnten.

Ein Gott, der mich in meinem Alltag sieht, freut sich mit mir und spendet mir Mut und Trost, denn ich kann darauf bauen, dass Gott immer bei uns ist und uns liebt, ganz gleich, wie wir uns fühlen oder was wir durchmachen.

Nils Franke

Bild zur Jahreslosung 2023 von Heidi Reubelt