Leidenschaft und Liebe

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„Ok, du hast gewonnen. Es geht um Liebe. Aber Liebe ist scheiße.“ Das ist das Fazit des Waldgeistes Puke am Ende des Stücks, das die Theater-AG am vergangenen Wochenende aufgeführt hat. Eine Darbietung, die mich tief beeindruckt hat und mich immer noch bewegt. Der schlecht gelaunte Puke hatte zu Beginn mit seinem gut gelaunten Gegenpart, dem Waldgeist Puck gewettet, ob es in der Geschichte um Liebe oder nicht viel eher um Hass geht. Puke favorisiert ganz klar den Hass.

In die Geschichte von Romeo und Julia haben sich eine Reihe von Figuren aus anderen Stücken von Shakespeare eingeschlichen. Einmal mehr hat die Theater-AG ein eigenes Stück kreiert. Im Zentrum bleiben jedoch die verfeindeten Familien Capulet und Montague.

Auch Romeo ist zu Beginn nicht restlos überzeugt von der Liebe. „Meine Liebe ist schlimmer als Hass“ meint er zu seiner besten Freundin Mercutia, als er noch unglücklich in Julias Cousine Rosaline verliebt ist. Wer kann nicht nachempfinden, wie weh das tut, wenn man unglücklich verliebt ist? Ich kann mich an eine Zeit erinnern, als in meinem Freundeskreis gefühlt jede und jeder aus der Clique in irgendjemanden aus der Clique verliebt war. Aber leider hat die Zuordnung in keinem Fall gepasst. An den Wochenenden haben wir uns den Frust zu „Why can’t this be love“ aus dem Leib getobt.

Dass Liebe immer nur Freude und Schmetterlinge im Bauch bedeutet, ist in der Tat ein Gerücht. Liebe und Leidenschaft hängen leider oft auch so zusammen, dass Liebe Leiden schafft. Nicht nur, wenn sie nicht erwidert wird. Sondern auch, wenn sie sich dem Hass und dem Dunkel in den Weg stellt. Weil Liebe nicht zulässt, dass Menschen den Hass gleichgültig hinnehmen, sondern an ihm leiden und ihn bekämpfen.

Am Ende des Theaterstücks sind vier Menschen tot. Und trotzdem lautet das Fazit: „Die Liebe hat gewonnen.“ Wie das? Weil die Liebenden bereit dazu waren, für die Liebe den Hass der verfeindeten Familien zu überwinden. Die Liebe lässt die Menschen begreifen, wie sinnlos der Hass ist.

„Lass uns doch zusammen

Den Weg des Friedens gehen

Den Hass überwinden

Die Liebe sehen

Bis wir den Frieden finden.“

Angesichts des Todes von Mercutia und Tybalt hält Benvolia ein flammendes Plädoyer für den Frieden, überzeugt Rosaline von der Notwendigkeit der Versöhnung und sie finden zur Liebe. In Szenen wie dieser werden die Menschen hinter den gespielten Figuren sichtbar. Die Schülerinnen und Schüler haben die Texte selbst geschrieben und vermitteln so ihre Botschaft an das Publikum.

Romeo und Julia ist eine Tragödie und doch für viele die größte Liebesgeschichte aller Zeiten. Nicht zuletzt ist es das vergossene Blut, das der Liebe zum Sieg verhilft. Am Ende von Romeo und Julia versöhnen sich die verfeindeten Familien über den Gräbern der beiden Liebenden.

Versöhnung durch das Blut, das aus Liebe dahingegeben wurde. Der Bezug zum christlichen Glauben ist nicht zu übersehen. Christus, der aus Liebe zu den Menschen gelitten hat, der für die Versöhnung gestorben ist. Paulus der leidenschaftlich für die Versöhnung eintritt und damit Benvolia gedanklich nahesteht. Wenn es ihm auch primär um die Versöhnung mit Gott geht: „Lasst euch versöhnen mit Gott!“ schreibt er in seinem zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth. (2.Kor 5,20) Die Versöhnung mit Gott ist eine Voraussetzung für die Versöhnung mit sich selbst. Und nur wenn ich mit mir selbst im Reinen bin, bin ich offen für die Versöhnung mit anderen.

Versöhnung zeigt, dass die Liebe stärker ist als der Hass. Oft dem Augenschein zum Trotz. „Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine gewaltige Flamme.“ (Hhld 8,6) schreibt schon die Hebräische Bibel im Hohenlied. Und Paulus hält fest: „Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.“ (1.Kor 13,8)

Viel Leidenschaft haben die Schülerinnen und Schüler, Margit Schlenker und die vielen anderen Beteiligten in das Theaterstück investiert. Eine Leidenschaft, die sich auf das Publikum übertragen hat. Nicht zuletzt, weil spürbar wurde, welch ein Geist der Liebe in dieser Gruppe herrscht. Wie die Darstellerinnen und Darsteller sich aufeinander eingelassen haben. Wie – getragen von der Gruppe – jede und jeder Einzelne über sich hinausgewachsen ist. Das Schauspiel war beseelt und hat – zumindest mich – beseelt. Die Botschaft der Liebe ist angekommen.

Arnold Glitsch-Hünnefeld