Jede Zeit hat ihre Helden

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In der Corona-Krise sind Menschen zu Helden geworden, die sonst oft unter dem Radar fliegen: Die Pflegerinnen und Pfleger in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, die Verkäuferinnen und Verkäufer, die Menschen, die die öffentlichen Verkehrsmittel steuern und viele andere mehr, die in dieser schwierigen Lage das System am Laufen halten. Sie tun, was sie immer tun – derzeit allerdings unter erschwerten Bedingungen und oftmals bis an den Rand ihrer Kräfte und darüber hinaus. Jetzt erfahren sie endlich einmal Aufmerksamkeit.

Von Balkonen wird ihnen applaudiert. Die Gruppe „Alte Bekannte“ (die Nachfolgeband der „Wise Guys“) hat eine Corona-Version des Lieds „Wahre Helden“ auf YouTube gestellt. Darin heißt es „Ihr seid die wahren Helden, weil ihr für uns soviel riskiert. Ihr seid die wahren Helden, weil ohne euch nichts funktioniert.“

Bei dieser Form der Aufmerksamkeit soll es allerdings nicht bleiben. Zu Recht wird gefordert, dass sich die Wertschätzung auch finanziell niederschlagen soll. Viele dieser Berufe gehören zu den schlecht bezahlten. Und die Wertschätzung soll nicht nur in der Zeit von Corona gelten, sondern generell. Die Wise Guys haben das Stück im Original 2015 veröffentlicht – also lange vor Corona. Wichtiger noch ist, dass die Wertschätzung nicht wieder verfliegt, wenn die Pandemie irgendwann überstanden sein wird.

Jede Zeit hat ihre Helden. Und jede Zeit braucht ihre Helden. Menschen, zu denen man aufsehen kann. Menschen, die Orientierung geben. Die Aufmerksamkeit richtet sich normalerweise auf Helden, weil sie etwas tun oder getan haben, was besonders ist. Weil sie Mut und Kraft aufbringen – über die Grenzen des Erwartbaren hinaus. Das gilt auch für die Alltagshelden der Corona-Krise.

Zugleich tun sie aber eben genau das, was sie immer tun. Was dran ist. Und gerade deshalb geben sie Orientierung. Das tun, was dran ist – auch wenn es nicht bis an den Rand der Erschöpfung geht. Das ist es, was ich mir von mir wünsche (und gar nicht immer umgesetzt bekomme).

Am vergangenen Sonntag habe ich einen Gottesdienst gestreamt, der aus der Wollfabrik in Schwetzingen übertragen wurde. Er hat mich berührt und beeindruckt. Mitgestaltet wurde er vom Bundestagsabgeordneten Lars Castelucci. Der setzt sich schon lange für Flüchtlinge ein und hat kürzlich das Flüchtlingslager „Moria“ auf Lesbos besucht.

Im Gottesdienst hat er von seinen Erfahrungen berichtet. Als der Pfarrer das Beispiel einer besonders gelungenen Integration anführte, reagiert Castelucci zurückhaltend: „Ich habe manchmal diese guten Beispiele gar nicht so gern. Ich weiß, dass die Mut machen. Und den Mut brauchen wir auch. Aber in der Anfangsphase haben wir Veranstaltungen gemacht. Und dann war da immer der eine Geflüchtete dabei, der schon perfekt Deutsch sprach, der schon seinen Studienabschluss nachgeholt hat, der irgendwie genial war, und man fragt sich, wie der angesichts der ganzen Situation das überhaupt hinbekommen kann. Aber müssen wir jetzt eigentlich alle Spitzenleistungen erbringen?

Meine Mutter kümmert sich um eine afghanische Familie und sagt, sie kann die Kinder jetzt nicht sehen, aber die Pavana ruft sie manchmal an und sie spricht schon so schönes Deutsch. Und ich finde, auch das ist doch eine gute Nachricht. Eine gute Nachricht für Pavana, die sich hier anstrengt und die ankommen will und die sich um ihre Kinder kümmert. Und für meine Mutter ist es wunderbar. Sie hat keine eigenen Enkelkinder und jetzt praktisch ist sie da eine Ersatzoma und es tut ihr ausgesprochen gut. Und ich glaube solche Geschichten gibt es ganz viele. Die können uns auch stärken, auch die schwierigen Dinge, die natürlich weiter auf der Strecke vor uns liegen auch mit Mut anzupacken.“

Ich glaube, da ist sehr viel dran. Alltagshelden sind Menschen, die das Richtige tun – auch wenn es keine Spitzenleistung ist. Menschen, die mir Mut machen, dass ich auch das Richtige tun kann. Das, wovon in der Bibel gesagt ist: „Der Herr hat dich wissen lassen, Mensch, was gut ist und was er von dir erwartet: Halte dich an das Recht, sei menschlich zu deinen Mitmenschen und lebe in steter Verbindung mit deinem Gott!“ (Mi 6,8)

Arnold Glitsch-Hünnefeld

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