Ich kann nicht glauben!

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Waldili / pixelio.de

Ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde! – so beginnt das christliche Glaubensbekenntnis. Weiter heißt es über Jesus, dass er gestorben, begraben und auferstanden ist. Das haben wir gerade eben erst an Ostern gefeiert. Spätestens bei dem Satz „Auferstehung von den Toten“ schaltet unser Gehirn doch irgendwie um auf: das kann doch nicht funktionieren, das ist doch unmöglich. Dennoch wird dieses Gebt von den Gläubigen in Gottesdiensten so selbstverständlich gesprochen, so dass es so scheint, als ob es das Leichteste von der Welt wäre diesen Inhalt zu glauben. Für Menschen, die mit dem Glauben nicht so viel am Hut haben, dürften diese Sätze nicht so leicht über die Lippen kommen. Und es ist nicht viel Neues, wenn ich feststelle, dass eine zunehmende Anzahl von Menschen Schwierigkeiten haben überhaupt zu glauben.

Auf der einen Seite stehen also Menschen, die scheinbar ohne weiteres glauben können, auf der anderen Seite stehen Menschen, die nicht so ohne weiteres glauben können, weil sie vielleicht nie in dem Maße mit dem Glauben in Berührung gekommen sind wie die andere Gruppe der glaubenden Menschen. Heute möchte ich die Schriftstellerin Katrin Faludi zu Wort kommen lassen, die sich selbst lange zur Gruppe der nicht Glaubenden zählte.

„Ich kann nicht glauben! Es gibt keinen Gott. Gott hat auf meine Gebete nicht geantwortet.“ Das sind Zitate aus ihrem Buch „Ohne meinen Zweifel glaub ich gar nichts“.

Für Katrin Faludi war es schon in Kindertagen klar und viel schlüssiger der Sache mit dem Urknall und der Evolution recht zu geben. Für sie funktionierte die Welt besser nach den Naturgesetzen, anstelle an übernatürliche, transzendente Wesen zu glauben.  Die Erzählungen in der Bibel waren für sie nur Geschichten, die sich Menschen ausgedacht haben, um sich die Welt zu erklären.“

Katrin Faludi hat in diesen vielen Jahren Gott nicht gebraucht für ein gutes, glückliches Leben. Schuld, Vergebung und Tod waren weit entfernte Themen. Gott und Glauben vermisste sie nicht im Geringsten. Sie hatte keine Sehnsucht nach Spiritualität. Sie bezeichnete sich selbst als glückliche Atheistin.

Bis…, ja bis sie irgendwie die Möglichkeit, dass es Gott vielleicht doch geben könnte, in Betracht zog. Sie berichtet davon, wie sie irgendwie in das Ding Glauben hineinrutschte, entgegen allem, was sie sich vorgenommen hatte. Das war gar nicht so ein spektakuläres Erlebnis, wie man glauben möchte. Sie fing einfach irgendwann an in Betracht zu ziehen, dass es vielleicht doch mehr als Wissenschaft geben könnte und die Bibel vielleicht hintergründiger ist als sie bislang glaubte.

Aber wer jetzt glaubt es wäre einfach so zu einem Sinneswandel gekommen, der irrt. Die Denkoption, dass es Gott vielleicht doch geben könne, hat die Autorin des Buches von einer Krise in die nächste geführt. Sie beschreibt es so: Man wird nicht „einfach so“ von einer Atheistin zur Christin. Überzeugungen und Prägungen seien keine Kleidungsstücke, die man mal eben so wechseln könne. Diese seien wie unsere Haut, man muss warten, bis sie nachwächst. Das kann dauern und „mitunter ist es ein schmerzhafter Prozess“, wie Katrin Faludi erzählt.

Mir fällt da eine bedeutende Bekehrungsgeschichte ein, von der im Neuen Testament die Rede ist. Es ist die Bekehrung des Apostels Paulus, der, als römischer Soldat auf der Verfolgung von Christen wie vom Blitz getroffen vom Pferd fiel und drei Tage erblindete. Die Erblindung, das ist uns Menschen des 21. Jh. längst klar, muss symbolisch gedeutet werden. Wohl ähnlich so wie Katrin Faludi es beschrieben hat. Es wurde bei Paulus ein Wandlungsprozess in Gang gesetzt, der sicher auch nicht nur drei Tage, sondern vermutlich einige Jahre in Anspruch genommen hat. Ein schmerzhafter Prozess, bis eine neue „Haut“, eine neue Überzeugung gewachsen ist. Bei Paulus führte das zu einer 180 Grad Kehrtwende in seiner Lebensausrichtung. Er wurde vom Christusverfolger zum begeisterten Christusverkünder. Ohne ihn gäbe es das Christentum hier im Abendland vermutlich gar nicht.

Katrin Faludi hat mehr als ein Jahrzehnt mit ihren Zweifeln gerungen, trotz aller Gottesdienste, die sie besuchte, trotz Beten und Bibel lesen und dem Versuch ein guter Mensch zu sein. Sie beschreibt ihren Wandlungsprozess wie einen schmerzhaften Spagat zwischen Glauben-wollen und Nicht-glauben-können. Bei all ihren Anstrengungen passierte nichts. Gott blieb stumm, für sie ein schmerzhaft stilles Schweigen. Mehr als einmal stand sie kurz davor alles hinzuschmeißen, die Zweifel an der Existenz Gottes waren zu groß und ihr Unvermögen an ihn zu glauben ebenso. Sie beschreibt ihre Erfahrungen mit drastischen Worten: „Und ja, oft kann ein Mensch nicht glauben – selbst wenn er sich bemüht. Selbst wenn er sogar gläubig gewesen ist. Das hat nichts mit fehlendem Willen oder Verstocktheit zu tun. Manchmal glaubt man gegen die Wand, aber die Wand gibt nicht nach.“

Im 9. Kapitel des Markus Evangeliums steht für alle die, denen es ähnlich geht folgender Hilferuf eines Vaters, der Jesus um die Heilung seines Sohnes bittet. „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,24)

Glauben geschieht offensichtlich nicht durch Anstrengung, Glaube lässt sich auch nicht erzwingen. Deshalb sage ich es mir selbst und allen hier für den Glauben Verantwortlichen. Stellen wir den Glauben nicht als einfachste Sache der Welt dar, auf den man sich nur einlassen muss. Es ist schwierig und ein großes Wagnis sich einer unsichtbaren Macht anzuvertrauen, ganz besonders dann, wenn man diesen Vertrauglauben nicht automatisch und einfach so in die Wiege gelegt bekommen hat.

Katrin Faludi spricht mittlerweile davon, dass sie eine Ahnung davon hat, weshalb Gott sie wohl so viele Jahre hat schmoren lassen in denen sie mit Neid auf all ihre Mitchristen schielte, die es scheinbar so viel einfacher hatten als sie. Es waren für sie viele Jahre nötig, um sich mit ihren inneren Widerständen ihres Unglaubens zu beschäftigen. Es brauchte den Raum für all ihren Zweifel und die Vorbehalte. Deshalb ermutigt sie alle ihre Zweifel auszusprechen und nach der Wahrheit zu suchen. Gott hat seinen eigenen Zeitplan mit jedem von uns und er sieht jeden aufrichtig Zweifelnden wohlwollend an, weil die Suche nach Wahrheit der Weg zu ihm ist. („Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, Joh 14,6) Dieses Aussprechen von Zweifeln, dieses Suchen nach Wahrheit würde ich mir so viel mehr in unserem Umgang miteinander wünschen.

Zuletzt gibt Katrin Faludi allen, die von sich glauben überzeugte Christen zu sein, eine Bitte mit auf den Weg: Habt Geduld, es hat keinen Sinn jemanden vom Glauben überzeugen zu wollen, alle diese Ratschläge, wie Glaube „besser“ funktioniert, laufen ins Leere. Zweifler brauchen Zeit, offene Ohren und Annahme, mitunter ein ganzes Leben lang.  Wie jedes Betonfundament braucht Glaube seine Zeit, bis er belastbar ist. Also, habt Geduld!

Diese Geduld mit uns selbst und mit dem geheimnisvollen Gott wünsche ich uns allen. Glaubenden und Zweiflern gleichermaßen. Amen.

Christian Asal

Quelle:

www.erf.de ich kann nicht glauben!