„Gib Frieden, Herr!“

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Quelle: sokaeiko / pixelio.de

„Gib Frieden, Herr!“

Die Andacht, die ich ursprünglich heute halten wollte, war schon fertig. Aber dann wurde mir klar, dass das Thema „Fasnet und andere Auszeiten“ heute nicht dran ist. Zu beklemmend sind die Nachrichten aus der Ukraine.

Dabei weiß ich gar nicht so recht, was ich angesichts der Ereignisse im Osten unseres Kontinents sagen soll. Irgendwelche Analysen der Situation und der Handlungsoptionen unserer Regierenden kämen über ein Stammtischniveau nicht hinaus. Die Wahrheit ist: Ich bin ratlos. Und ich habe den Eindruck, so geht es sehr vielen Menschen gerade. Auch denen, die Entscheidungen fällen und auf die Aggression Russlands reagieren müssen.

Ratlos, machtlos, hilflos und friedlos. Wo sollen wir damit hin? Ich finde für mich keinen anderen Weg, als all das vor Gott zu bringen. Ein Kirchenlied fällt mir ein. Der Text ist von Jürgen Henkys aus dem Jahr 1980. Aus einer Zeit, in der noch nicht abzusehen war, dass der Kalte Krieg 10 Jahre später erst einmal vorbei sein würde. 40 Jahre später allerdings könnte man meinen, der Text sei in diesen Tagen geschrieben worden.

Gib Frieden, Herr, gib Frieden,

die Welt nimmt schlimmen Lauf.

Recht wird durch Macht entschieden,

wer lügt, liegt obenauf.

Das Unrecht geht im Schwange,

wer stark ist, der gewinnt.

Wir rufen: Herr, wie lange?

Hilf uns, die friedlos sind.

„Wer lügt, liegt obenauf.“ 150.000 Soldaten waren an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen worden. Die Rede von einem Teilrückzug war eine dreiste Lüge aus dem Kreml. Eine von unzählig vielen. Die „Beratungen“ des russischen Sicherheitsrates vom Montagabend ein Schmierentheater. Offenbar schätzt Putin seine Streitmacht jetzt als ausreichend ein, dass er Russland den Donbass oder auch die ganze Ukraine einverleiben kann. „Recht wird durch Macht entschieden.“

Bleibt dem Westen nur die Wahl, die Ukraine ihrem Schicksal zu überlassen oder in einen Krieg mit Russland einzutreten – mit unabsehbaren Folgen? „Die Welt nimmt schlimmen Lauf.“

Gib Frieden, Herr, wir bitten!

Die Erde wartet sehr.

Es wird so viel gelitten,

die Furcht wächst mehr und mehr.

Die Horizonte grollen,

der Glaube spinnt sich ein.

Hilf, wenn wir weichen wollen,

und lass uns nicht allein.

Gelitten wird im Donbass schon seit vielen Jahren. Und in so vielen anderen Kriegs- und Krisengebieten auf der Welt auch. Sie geraten uns nur immer wieder aus dem Blick, weil sie nicht so nahe sind.

Die Furcht wächst und der Glaube spinnt sich ein. Hilflosigkeit weckt den Wunsch, den Blick abzuwenden. Sich ins Private zurückzuziehen. Der Wirklichkeit zu entfliehen. Aber wohin wollen wir weichen? Wohin wir uns auch wenden, die Wirklichkeit bleibt wirklich.

Und auch eine Flucht nach vorn wäre immer noch eine Flucht. Der Versuch, der Ohnmacht zu entkommen, indem das Heft des militärischen Handelns in die Hand genommen wird. Auch das würde die Wirklichkeit ausblenden. Denn die Wahrheit ist: Die Folgen wären katastrophal.

Gib Frieden, Herr, wir bitten!

Du selbst bist, was uns fehlt.

Du hast für uns gelitten,

hast unsern Streit erwählt,

damit wir leben könnten,

in Ängsten und doch frei,

und jedem Freude gönnten,

wie Feind er uns auch sei.

Keine Lösung. Aber ein geweiteter Blick. Gottes Wirklichkeit ist größer, als unser Realismus es zu fassen vermag. In Christus hat Gott unseren Streit erwählt. Er hat sich der Gewalt der Menschen ausgesetzt. Er hat die Menschen, die ihm feindlich begegnet sind, nicht als Feinde betrachtet. Feindesliebe ist paradox – und doch vielleicht der einzige Ausweg aus dem Kreislauf der Eskalation von Gewalt und Gegengewalt.

Vor uns liegt die Passionszeit. Die Zeit des Gedenkens an Jesu Leiden und Sterben. Jesus selbst war „in Ängsten und doch frei“. An seinem letzten Abend im Garten Gethsemane hat er im Gebet Gott angefleht, ihm den Kelch des Leids zu ersparen. Dann aber hat er sich aus freien Stücken den Wachen gestellt und sich gefangen nehmen lassen. Einen der Soldaten, dem einer der Jünger ein Ohr abgeschlagen hat, hat er sogar geheilt. Er hat die Feindesliebe nicht nur gepredigt, sondern gelebt.

Gib Frieden, Herr, gib Frieden:

Denn trotzig und verzagt

hat sich das Herz geschieden

von dem, was Liebe sagt!

Gib Mut zum Händereichen,

zur Rede, die nicht lügt,

und mach aus uns ein Zeichen

dafür, dass Friede siegt.

Mehr Ehrlichkeit hat sich die Ukraine vom Westen gewünscht. Keine Versprechen, von denen man nicht vorhat, sie auch zu halten. Keine Halbherzigkeiten gegenüber der russischen Führung. Konsequenzen, auch wenn sie uns selbst wirtschaftlich wehtun.

Aber zugleich braucht es immer wieder den Mut zum Händereichen. Und wenn die ausgestreckte Hand noch so oft weggeschlagen wurde. Ein stures Vertrauen dahinein, dass am Ende gegen allen Augenschein der Friede siegen wird. Oder von Ostern her gedacht: Dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Beten wir, dass Gott seinen Frieden durchsetzen wird.

Arnold Glitsch-Hünnefeld