Freiwillig in der Freizeit arbeiten?
Mittwochsandacht_online
Warum um alles in der Welt wollt Ihr Euch für eine AG anmelden? AG ist die Abkürzung für Arbeitsgemeinschaft. Reicht das Arbeitspensum, das der Stundenplan vorgibt, nicht aus? Und sind da nicht sowieso noch die Hausaufgaben – gelegentlich auch Hausarbeiten genannt? Trotzdem werden sich viele von Euch wieder in der einen oder anderen AG anmelden. Und das mit guten Gründen.
Vielleicht lohnt es sich, ein bisschen über die Bedeutung von Arbeit nachzudenken. Oft wird Arbeit als etwas nicht besonders Erfreuliches betrachtet. Klar, viele Erwachsene sind froh, dass sie eine Arbeit haben und so ihren Lebensunterhalt verdienen können. Aber aus dieser Perspektive ist Arbeit eher ein notwendiges Übel und nichts, was man freiwillig ohne eine Gegenleistung tun würde. Diese Auffassung steht auch hinter dem neudeutschen Begriff der „work-life-balance“. Damit ist gemeint, dass Menschen darauf achten sollen, dass neben der Arbeit das Leben nicht zu kurz kommt. Als ob Arbeit nicht Teil des Lebens sei! Ich halte das für einen falschen Gegensatz. Arbeit ist Teil des Lebens und zugleich kommt es darauf an, die Arbeit mit Leben zu füllen.
Natürlich gibt es auch jenseits der Arbeit ein Leben und das braucht seinen Raum. In der Antike war es eine Besonderheit des jüdisch-christlichen Glaubens, dass feste Ruhezeiten zum Wochenrhythmus gehören. Wo Kraft aufgewendet wird, braucht es auch Zeit zur Erholung. In der Bibel wird auch nicht verschwiegen, dass Arbeit mühselig und langweilig sein kann. Aber das ist nicht der Kern von Arbeit. Arbeit bedeutet zunächst schlicht, dass ich Kraft aufwende – körperliche oder geistige – und damit etwas bewirke. Beim Arbeiten erfahre ich mich selbst als wirksam. Das ist eine zutiefst befriedigende Erfahrung. Vieles von dem, was ich arbeite, trägt dazu bei, meinem Dasein einen Sinn zu geben.
Wenn ich ehrlich bin, macht mir meine Arbeit oft sogar Freude. Besonders, wenn ich dabei in gutem Kontakt mit Schülerinnen und Schülern und Kolleginnen und Kollegen bin. Ich würde soweit gehen, dass nicht einmal Arbeit und Freizeit einen Gegensatz bilden müssen. Wenn ich mich mit dem Fahrrad den Schiener Berg hocharbeite, dann ist das für mich ein Stück seelische Erholung. Im Anstieg bin ich ganz bei mir und der Einteilung meiner Kräfte und nehme doch zugleich die Landschaft um mich herum wahr. Die anschließende Abfahrt genieße ich in vollen Zügen.
Damit bin ich bei der Form von Arbeit, wie sie in den AGs angeboten wird. Es geht dabei ja um Tätigkeiten, die Euch Spaß machen. Sport und Bewegung zum Beispiel. Oder Musik und Theater. Dabei sind manche Proben durchaus ein hartes Stück Arbeit. Aber wenn ihr merkt, wie sie euch weitergebracht haben, wird euch das Zufriedenheit schenken. Und eine gelungene Aufführung ist erst recht ein großartiges Erlebnis. Nicht nur für Euch, sondern zugleich für Euer Publikum. Sie sind ein Geschenk an die Gemeinschaft. Auch andere AGs sind Arbeit für die Gemeinschaft: Die Schulsanitäter*innen oder die Event-AG zum Beispiel. Und AGs sind Arbeit in der Gemeinschaft. Das ist ja der zweite Teil von AG: Arbeitsgemeinschaft. Auch das trägt wesentlich dazu bei, dass AGs etwas Schönes sind. Manch eine AG wird geradezu zu einer eingeschworenen Gemeinschaft. Ich hatte als Jugendlicher im Jugendleiterteam der Kirchengemeinde meine wichtigsten Freundinnen und Freunde.
Für mich ist all das ein Geschenk Gottes. Die Gaben und Begabungen, mit denen er Euch und mich ausgerüstet hat. Interesse, Neugier und die Fähigkeit, zu lernen und sich weiterzubilden. Die Gemeinschaft, in der wir unsere Gaben entfalten können. Gottes Schöpfung, in der und mit der wir arbeiten können: Den See für das Bodenseeschifferpatent oder das Holz als Werkstoff. Im 33sten Psalm findet sich ein Absatz, der einen schönen Kommentar dazu bildet:
Der Herr schaut vom Himmel herab und blickt auf alle Menschenkinder.
Von seinem Wohnsitz aus sieht er alle, die auf der Erde wohnen.
Er hat ihnen den Verstand gegeben.
Aufmerksam beobachtet er all ihr Tun.
So segne er Eure Wahl der AGs und Euer Tun in der vor Euch liegenden Zeit.
Arnold Glitsch-Hünnefeld