Endspurt

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Steffen Drescher / pixelio.de

Mit dieser Woche ist die letzte Etappe des Schuljahrs angebrochen. In diesen Wochen stehen für manche zwar Klassenfahrten, Ausflüge und ähnliches an. Aber für viele gilt es, sich noch einmal zu motivieren. Letzte Klassenarbeiten und Klausuren stehen an. Die Abiturientinnen und Abiturienten haben nächste Woche ihre mündlichen Prüfungen und nahtlos danach die Absolventinnen und Absolventen des Abschlussjahrgangs der Realschule.

Endspurt. Eigentlich ist das merkwürdig. Am Ende eines langen Laufes, wenn man auf die lange Distanz alles gegeben hat, zieht man am Schluss das Tempo noch mal an. Woher kommen die Kräfte dazu?

Offenbar wurden auf den Kilometern zuvor nicht alle Körner verbraucht. Gerade bei langen Strecken ist es wichtig, sich die Kräfte einzuteilen, damit man nicht unterwegs einbricht. Jetzt, wo das Ziel vor Augen liegt, müssen keine Kräfte mehr zurückgehalten werden. Das was noch da ist, muss nur noch bis zur Ziellinie reichen. Jetzt kann noch einmal alles gegeben werden. Hinter der Ziellinie wird die Kraft erst einmal nicht mehr gebraucht.

Zudem versetzt das Ziel vor Augen in Euphorie: „Ich werde es tatsächlich schaffen! Gleich ist es so weit! Ich bin ein Finisher!“ Endorphine werden ausgeschüttet und setzen noch einmal Kräfte frei. Auch wenn vorher schon das Laktat in die Muskeln eingeschossen ist und das Laufen mühsam wurde, kann man jetzt noch einmal Tempo aufnehmen.

Vom Rennen singt auch Kate Bush. „Running up that hill“ Wie meistens bei ihr ein verrätselter, eher assoziativer Text.

It doesn′t hurt me
Do you wanna feel how it feels?
Do you wanna know, know that it doesn’t hurt me?
Do you wanna hear about the deal that I′m making?
You
It’s you and me

Ist Gott das „Du“ in dem Stück oder erzählt die Sängerin einer dritten Person von einem Geschäft, dass sie Gott vorschlagen will? Der Refrain heißt:

And if I only could
I’d make a deal with God
And I′d get him to swap our places
Be running up that road
Be running up that hill
Be running up that building

With no problems

In dem Geschäft geht es darum, dass die Sängerin mit Gott die Plätze tauschen möchte. Dann könnte sie ohne Probleme, die Straße, den Hügel oder das Hochhaus hinaufrennen. Ist es das, was uns ans Ziel bringt: Mit Gott den Platz zu tauschen? Es gibt den Gedanken der Stellvertretung durchaus in der Theologie. Hier halte ich den Tausch allerdings für ein Gedankenspiel. Vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit des Zusammenwirkens mit Gott.

Die Metapher vom Laufen verwendet auch der Apostel Paulus im 1. Korintherbrief:

Wisst ihr nicht: Die im Stadion laufen, die laufen alle, aber nur einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie ins Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich schinde meinen Leib und bezwinge ihn, dass ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde. (1.Kor 9,24-27)

Bei einem Rennen im Stadion laufen alle, aber nur einer empfängt den Siegespreis. Dieser Konkurrenzkampf im Beispiel des Paulus passt nicht zum Gesamtanliegen des ersten Korintherbriefs. Paulus will gerade nicht die Konkurrenz innerhalb der Gemeinde (oder zwischen den Aposteln) anheizen, sondern mahnt zur Einigkeit und zur Zusammenarbeit in dem einen Geist Christi. Die Konkurrenz untereinander ist also dem Bild vom Wettkampf geschuldet.

Paulus geht es darum, dass Menschen etwas investieren, um ein Ziel zu erreichen. „Jeder, der kämpft, enthält sich aller Dinge.“ Neben dem Training gehört zur Vorbereitung auf eine besondere sportliche Leistung auch der Verzicht auf Dinge, die dem Ziel im Weg stehen. Es geht darum, sich ganz auf das Ziel zu fokussieren.

Anders als bei einem sportlichen Erfolg, dessen Ruhm vergänglich ist, geht es Paulus um ein Ziel von bleibendem Wert. „Ich laufe nicht ins Ungewisse.“ Paulus weiß um sein Ziel, er erkennt den Sinn in seinem Tun. Und dieser Sinn hängt nicht von ihm selbst ab. Denn Gott selbst gibt seinem Tun einen Sinn. Das hilft Paulus, sich zu motivieren und auch die selbst auferlegten Entbehrungen durchzuhalten.

Dieses Schuljahr hat etwas von einem Langstreckenlauf. Es ist einiges Durchhaltevermögen gefragt – von Schülern, Kolleginnen und Mitarbeitenden. Die Ziele, die wir uns gesetzt haben, mögen unterschiedlich sein. Aber, wenn es gut läuft, arbeiten wir gemeinsam daran, sie zu erreichen. Und wenn wir unsere Ziele weise gewählt haben, dann können wir erkennen, dass Gott ihnen einen Sinn gibt. Sogar dann, wenn wir ein Ziel nicht erreichen, kann unser Tun in Gott sinnstiftend sein. Diese Erfahrung wünsche ich uns allen – auch und gerade jetzt im Endspurt. Gott gebe uns Ausdauer, Orientierung und seinen Geist zu unserem Tun.

Arnold Glitsch-Hünnefeld

Kate Bush: Running up that hill