Das letzte Abendmahl

Schulgottesdienst zur Karwoche und Ostern

Ausschnitt aus der Neuinterpretation des Letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci (1495) und der 10b (2025)

Wir wünschen allen Schülern, Eltern und Mitarbeitern ein gesegnetes Osterfest und erholsame Ferien!

Neuinterpretation des „Letzten Abendmahls“ von Leonardo da Vinci

Das Video, das ihr gerade gesehen habt, zeigt unsere Neuinterpretation des letzten Abendmahls, das Jesus an Gründonnerstag mit seinen zwölf Jüngern gefeiert hat. Unsere moderne, in die heutige Zeit übertragene Darstellung ist wohl eher ein unbekannterer Zugang zu diesem Ereignis. Dagegen ist euch dieses Wandgemälde von Leonardo da Vinci, welches von 1495-1498 entstand und in der Kirche Santa Maria delle Grazie in Mailand hängt, wohl weitaus vertrauter.
Wenn man sich die beiden Bilder im Vergleich anschaut, fallen direkt einige Gemeinsamkeiten, aber auch einige Unterschiede auf.

Zunächst einmal ist die grundsätzliche Struktur des Bildes gleich: ein langer Tisch, in dessen Mitte Jesus sitzt, und zu seiner Rechten und Linken sitzen jeweils sechs seiner insgesamt zwölf Jünger. In beiden Bildern ist Jesus also der Mittelpunkt des Bildes und damit auch der abgebildeten Handlung. Bei genauerem Hinsehen wird zudem deutlich, was auf den ersten Blick vermutlich gar nicht auffällt: Beide Bilder haben gemeinsam, dass Jesus mit keinem seiner Jünger redet, da diese von ihm abgewandt sind, in andere Diskussionen untereinander vertieft sind oder mit den Gedanken woanders zu sein scheinen.
In unserer Darstellung (Folie 4) haben wir diese Auffälligkeiten absichtlich verstärkter und eindeutiger dargestellt

Denn wir sehen in Leonardo da Vincis Gemälde des letzten Abendmahls nicht nur eine einfache Darstellung der abgebildeten Situation, sondern darüber hinaus eine weitere Bedeutung: es kann Aufschluss über die Gesellschaft und vor allem über das Verhalten von Menschen geben. Deshalb wollten wir auch unsere moderne Darstellung des Abendmahls mit einer solchen Bedeutung versehen. Dazu haben wir uns gefragt, wie das Abendmahl wohl heutzutage aussehen würde und es schließlich so, wie man es auf dem Bild sieht, inszeniert.

Es soll in gewisser Weise den Geist der heutigen Zeit widerspiegeln. Deshalb haben wir die Kleidung, das Essen und die Getränke an die heutige Zeit
angepasst: Neben Wein und Brot, welche bei einem Abendmahl auch heutzutage wegen ihrer symbolischen Bedeutung nicht fehlen dürfen, stehen auf dem Tisch also auch Fastfood wie Pizza und Chips, außerdem z.B. Energydrinks und Alkohol.

Allgemein sind auf unserem Bild der Tisch und auch der Boden, wo leere Flaschen liegen, unordentlich und jeder scheint mit etwas anderem beschäftigt zu sein: mit sich selbst, seinem Handy, dem, was er isst und maximal mit seinem direkten Nebensitzer – nur nicht mit Jesus; dabei soll es doch das letzte Abendmahl gemeinsam mit ihm sein. Jesus sitzt in der Mitte des Tisches und bricht das Brot, ein Zeichen der Gemeinschaft und des Teilens.

Dass dem jedoch keiner Beachtung schenkt, kann als Gleichgültigkeit gedeutet werden und soll zeigen, wie unwichtig den Menschen zwischenmenschliche Beziehungen teilweise geworden sind und wie selbstbezogen und egoistisch Menschen sein können. Da das Verhalten Jesu als Vorbild dienen soll, ist damit daher auch der Appell verbunden, anders zu handeln und nicht egoistisch zu sein, sondern nach dem Prinzip der Nächstenliebe zu handeln und den Blick auf das, was Jesu tut, zu richten.

Ein weiterer Punkt ist, dass an unserem Abendmahlstisch die zwölf Jünger von Männern und Frauen dargestellt sind und Jesus sogar von einer weiblichen Person. Das soll die Vielfalt unserer Gesellschaft zeigen und dass bei Jesus jeder willkommen ist. Dies sollte man auch versuchen, auf sein eigenes Leben zu übertragen, indem man sich bemüht, niemanden auszuschließen und sich für Zusammenhalt einzusetzen.

Neben dem kleinen Rahmen der alltäglichen Begebenheiten, auf den man die Deutung des Ersten-Abendmahl-Bildes beziehen kann, lässt sich auch eine
Bedeutung für das Größere, Weltweite ableiten: das Abendmahl steht für Versöhnung. Unsere Darstellung zeigt dagegen eine Gruppe zwölf auf sich selbst
bezogener Personen, in deren Mitte Jesus durch das Brotbrechen als Geste des Teilens die einzige Ausnahme bildet. Damit soll auch die weltpolitische Situation mit den vielen Kriegen und Konflikten kritisiert werden – verbunden mit dem Wunsch nach Einigkeit, Frieden und Versöhnung.

Abschließend kann unsere moderne Darstellung des letzten Abendmahls also als Warnung und Appell zugleich gesehen werden und soll damit gleichzeitig auf die Wichtigkeit und Bedeutung des Abendmahls für unsere heutige Zeit aufmerksam machen.

Giulia Rocco / Finn Glaser / Laura Cirella

Predigt

Liebe Schulgemeinde!

Ein harter Kontrast: Das „Aller Augen warten auf dich Herre“ von Heinrich Schütz, quasi als Tischgebet, und dann die Inszenierung des Abendmahls der 10b als jugendliche Feier mit Junk-Food und Bier-Pong. Darf man das Abendmahl so darstellen? Mir fallen Menschen ein, die bei diesen Bildern entrüstet aus der Kirche gerannt wären und mir – oder gleich der Kirchenleitung – hinterher einen bitterbösen Brief geschrieben hätten.

Dabei geht es bei der Inszenierung ja keineswegs darum, das Abendmahl ins Lächerliche zu ziehen. Die 10b hat sich dazu gründliche und tiefsinnige Gedanken gemacht. Giulia und Finn haben uns einige davon vorgetragen. Und wie so oft, haben das Werk der Schüler*innen und ihre Gedanken dazu weitere Überlegungen bei mir angestoßen.

Die 10b hat das Abendmahl in ihre Wirklichkeit geholt. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt der Abendmahlsfeier. Die Zeitebenen vermischen sich. Das Geschehen von vor 2000 Jahren, das die Bibel überliefert, und die Gegenwart. Irgendwo dazwischen das Bild von Leonardo da Vinci und der Gesang aus dem Frühbarock. Und bei Licht betrachtet verbinden sich schon im biblischen Geschehen zwei Zeitebenen. Jesus und seine Jünger feiern das Passamahl. Sie vergegenwärtigen sich die Nacht des Auszugs des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten. All das schwingt mit in der Feier des Abendmahls. All das bleibt nicht Vergangenheit, sondern wird in der Inszenierung ein Teil der eigenen Wirklichkeit.

In der Inszenierung der 10b steckt ein Stück Zivilisationskritik. In mehrfacher Hinsicht. Da wird zum einen ein Zeitgeist herausgestellt, nach dem jeder letztlich mit sich selbst beschäftigt ist, in dem Kommunikation allenfalls an der Oberfläche bleibt und durch den Berge von Müll produziert werden. Der Aspekt des Teilens, der im Brotbrechen Jesu anklingt, wird ignoriert. Alles, was die gedankenlose Feier stört, wird verdrängt.

Damit wird letztlich Jesus selbst aus dem Geschehen verdrängt. Niemand von den 12en spricht mit ihm. Er könnte genauso gut fehlen. In einer zweiten Inszenierung bleibt der Platz Jesu tatsächlich leer.

Mir stellt sich die Frage, ob das nur für den oberflächlichen Zeitgeist gilt. Möglicherweise wird Jesus auch aus dem Geschehen gedrängt, wenn überlieferte Rituale wie das Abendmahl nur noch routinemäßig vollzogen werden. Wenn die geschilderte Vergegenwärtigung eben nicht mehr stattfindet. Wenn Jesus zur Leerstelle wird, kann sich jeder seinen eigenen Jesus basteln, wie er ihm gerade gefällt. Man kann ihn zum netten Kuschelhippie zurechtschleifen, der niemandem mehr unbequem wird. Jesus war aber unbequem. Und sich in seinen Wirkungskreis zu begeben, sich mit seinen Jünger*innen zu identifizieren, kann bedeuten, auch mal anzuecken.

Das ist für mich in der Darstellung der 10b auch mit der weiblichen Besetzung der Figur von Jesus ausgedrückt. Diese irritiert erstmal und das ist von der 10b auch so gewollt. Es macht zugleich deutlich, dass Jesus Konventionen und Rollenmuster seiner Zeit unterlaufen hat. Auch im Blick auf das Verhältnis von Mann und Frau. In der Geschichte von Maria und Martha z.B. schickt er Maria nicht an den Herd, sondern bestärkt sie darin, dass sie in der Runde bei all den Männern sitzen bleibt.

Jesus wird aus dem Geschehen herausgedrängt. Er wirkt isoliert. Nicht nur in der Darstellung der 10b, sondern schon im Bild von Leonardo da Vinci. Meine Vorstellung vom letzten Abendmahl, damals am Vorabend der Kreuzigung Jesu, ist eine andere. Für mich ist es ein letzter Moment der Nähe. Noch einmal sind die 12 und Jesus beisammen und unter sich. Noch einmal wird die Gemeinschaft spürbar, die sie über die letzten Monate hinweg miteinander verbunden hat. Alle sind miteingeschlossen. Auch Judas, der Jesus wenige Stunden später verraten wird. Im Bild sitzt er nahe bei Jesus und doch abseits. In beiden Darstellungen wirkt auch er isoliert.

Das ist die andere Seite des Abendmahls. Erste Risse in der Gemeinschaft werden sichtbar. Jesus bezeichnet den Verräter und kündigt Petrus an, dass der ihn verleugnen wird. „Das Brot – mein Leib; der Wein – mein Blut“. Jesus kündigt – einmal mehr – sein Leiden und Sterben an. Die kommenden Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Ob die Jünger das begriffen haben?

Die beiden Darstellungen betonen diesen Aspekt. Kurz darauf wird Jesus wirklich allein und verlassen sein. „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod“ wird er im Garten Gethsemane zu seinen Jüngern sagen und sie bitten, mit ihm zu wachen. Doch die Jünger schlafen alle ein. Als er gefangengenommen wird, fliehen sie. Und Petrus, der sich für seinen treuesten Anhänger hielt, wird dreimal behaupten, Jesus nicht zu kennen. Schließlich am Kreuz schreit Jesus „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“.

Verlassen und allein. Ein schlimmes Gefühl. Viele von Euch werden es kennen und fürchten. Manchmal ist die Einsamkeit von außen erkennbar. Manchmal auch nicht. Manche von Euch funktionieren und wirken nach außen hin fröhlich, auch wenn es in ihnen ganz anders aussieht. Und manche wünschen sich einen Freund oder eine Freundin und finden doch keinen Anschluss. Sie wissen nicht, wie sie Kontakt knüpfen sollen, oder sie trauen sich nicht. Einsamkeit ist auch ein Teil der Passion Jesu.

Doch die Geschichte Jesu endet nicht mit der Nacht der Verlassenheit. Auf den Karfreitag folgt Ostern. Gott lässt nicht zu, dass Jesus aus der Welt gedrängt wird. Die Evangelien erzählen, dass Jesus nach seiner Auferstehung mehrfach seinen Jünger*innen begegnet. Und diese Begegnungen stiften erneut Gemeinschaft.

Von zwei Jüngern wird erzählt, die nach Jesu Tod enttäuscht und niedergeschlagen die Gemeinschaft der Jünger*innen verlassen. Sie machen sich auf den Weg in ihr Heimatdorf Emmaus. Unterwegs begegnet ihnen der auferstandene Jesus und geht mit ihnen. Aber die erkennen ihn nicht. Erst als er ihnen beim Abendessen das Brot bricht, werden ihnen die Augen geöffnet. Jesu Geste vergegenwärtigt ihnen das gemeinsame Abendmahl am Vorabend der Kreuzigung. Das Brotbrechen – in der Darstellung der 10b von den Jünger*innen ignoriert – bekommt zentrale Bedeutung. Die beiden Jünger lassen alles stehen und liegen und eilen zurück zu den anderen, zurück in die Gemeinschaft. Neue Menschen werden in die Gemeinschaft aufgenommen. Zuerst Matthias, dann wachsen erste Gemeinden heran.

Auferstehung bedeutet: Das Geschehen, das mit Jesus begonnen hat, breitet sich aus – über die Grenzen von Israel hinaus und durch die Zeiten hindurch. Auferstehung vergegenwärtigt sich auch in unserer Gegenwart. Da wo Menschen – so wie die 10b – erkennen, dass Gemeinschaft mehr ist, als am selben Ort je um sich selbst zu kreisen. Da wo Menschen einander wirklich sehen und auch hinter die Fassade schauen. Da wo Menschen Anschluss in der Gemeinschaft und wahre Freund*innen finden. Auferstehung bedeutet, dass Menschen sich gerade auch von den unbequemen Seiten Jesu inspirieren lassen. Von seiner Botschaft des Teilens, der Gerechtigkeit und der Nächsten- und Fremdenliebe. Auferstehung bedeutet, dass das Dunkel, auch das Dunkel unserer Zeit, nicht das letzte Wort hat, sondern dass Gott seine Zukunft für uns bereithält.

Amen

Arnold Glitsch-Hünnefeld