Das gemeinsame Haus

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Steffen Drescher / pixelio.de

Ökonomie und Ökologie – lange Zeit galten diese zwei Größen als unvereinbare Gegensätze. Wirtschaftspolitik contra Umweltschutz. In einem ersten Blick auf den Sprachgebrauch könnte man meinen, die Ökologie hätte das Rennen gemacht. Bei „Ökos“ denkt niemand an Wirtschaftsexperten, sondern es sind Umweltaktivisten gemeint. Der herablassende Klang, den „Ökos“ oft hat, macht aber deutlich, dass im Zweifelsfall das Gegenteil gilt: Ökologie ist ein Politikfeld, um das sich gekümmert wird, wenn die Spielräume dafür da sind. Die harte Währung in der Realpolitik, der im Zweifelsfall der Vorrang gegeben wird, ist aber die Ökonomie.

In den vergangenen Jahren schien sich der Gegensatz abzumildern. Bei den Grünen haben sich die Realos durchgesetzt, die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit miteinander verbinden wollen. Man trägt „business-casual“-Kleidung statt Latzhosen und Birkenstocksandalen. Der aktuelle CSU-Vorsitzende hatte das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt und ist unter die Bienenschützer und Baumumarmer gegangen. Und selbst die wirtschaftsliberale FDP ist im Bund eine Koalition mit dem ideologischen Intimfeind eingegangen.

Die Energiekrise, die der Krieg gegen die Ukraine ausgelöst hat, befeuert den Kampf um die Prioritäten allerdings wieder neu. Aktuell scheint sich die Haltung durchzusetzen, dass erst einmal die Energieversorgung gesichert werden muss – notfalls auch mit Kohle – und erst dann der Klimawandel wieder auf die Tagesordnung genommen werden kann.

Mir scheint das eine falsche Alternative zu sein. Ökonomie und Ökologie sind von der Wortbedeutung her nahe verwandt. In beiden Wörtern steckt das griechische Wort „oíkos“ – Haus. Ökologie bedeutet wörtlich „Lehre vom Haus(halt)“, Ökonomie heißt wörtlich übersetzt „Gesetzmäßigkeiten des Haushalts“. Wie kommt es bei dieser Nähe zu dem großen Unterschied zwischen beiden Disziplinen? Der Unterschied besteht nicht in erster Linie zwischen den Worten -logie und -nomie, sondern der oíkos, also das Haus wird unterschiedlich verstanden: In der Ökologie geht es um das gemeinsame Haus der belebten und der unbelebten Welt bzw. das gemeinsame Haus von Mensch und Natur. In der Ökonomie dient das Haus als Bild für den globalen Markt bzw. die Aufwendungen und Erträge, um den Unterhalt des Menschen zu sichern.

Bei genauerem Hinsehen lässt sich aber das eine nicht losgelöst vom anderen betrachten. Wenn das Haus im weiteren Sinne, biblisch gesprochen die Schöpfung, zerstört wird, kann das Haus im engeren Sinne, der menschliche Wirtschaftsraum, auch nicht existieren. So drängend die aktuellen ökonomischen Probleme auch sind, die Ökologie darf nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden. Es muss sorgfältig geprüft werden, was ökonomisch wirklich unverzichtbar ist und nicht nur „nice to have“. Einschnitte in die Bequemlichkeit und den Lebensstil sind unvermeidbar. Allerdings so, dass nicht die Schwächsten auf der Strecke bleiben. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit.

Jetzt mögen manche sich fragen, was diese Überlegungen denn in einer Andacht verloren haben. Der „oíkos“ und damit verwandte Begriffe sind auch Teil der biblischen Gedanken- und Symbolwelt. In 1.Petr 4,10 wird der Gemeinde der Christen ans Herz gelegt: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter Gottes.“ Das griechische Wort für Haushalter ist „oikonómoi“, also Ökonomen. In dem Abschnitt geht es darum, dass die Gläubigen einander in Liebe begegnen und sich am Wort und Geist Gottes orientieren sollen. Ökonomie als ein liebevoller Austausch dessen, was uns von Gott geschenkt ist.

In eine ähnliche Richtung geht Paulus in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth: „Die Erkenntnis bläht auf; aber die Liebe baut auf“ (oikodomei). Gefordert ist keine Besserwisserei, sondern Rücksichtnahme auf die Schwachen, denen es vielleicht noch an Erkenntnis fehlt.

Weise und rücksichtsvoll mit den Gütern umzugehen, die uns von Gott geschenkt sind, das wird schon ganz am Anfang der Bibel gefordert. „Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte“ (Gen 2,15). Das könnte ein Credo der Ökologen sein.

Ökologie und Ökonomie schließen sich also gerade nicht aus, sondern gehören untrennbar zusammen. Wir sind gefordert, gute Haushalter Gottes zu sein. Wir sind gefordert, mit den Gaben der Schöpfung so zu verfahren, dass allen Menschen – gerade auch den Schwächsten – Gerechtigkeit widerfährt; das erfordert kluge Ökonomie. Und wir sind gefordert, mit der Schöpfung so umzugehen, dass sie als gemeinsames Haus erhalten bleibt; das erfordert Ökologie. Beides sind wir Gott, der uns seine Schöpfung anvertraut hat, einander als Menschheit und der belebten und unbelebten Natur schuldig.

Arnold Glitsch-Hünnefeld