Begegnungen mit Autoren

Jahrgangsstufenschüler treffen Autoren der Pflichtwerke für das Abitur

Das Abitur rückt in greifbare Nähe, die Schüler der Jahrgangsstufe an der Evangelischen Schule Schloss Gaienhofen nahmen Gelegenheiten gerne wahr, den Autoren von zweien ihrer Pflichtwerke persönlich zu begegnen.

Peter Stamm, der Autor des Romans „Agnes“, war bereits mehrfach zu Gast in Gaienhofen. Er las aus seinem Werk und erzählte von seinen Vorstellungen einer Romankonzeption allgemein und der thematischen Gestaltung in seinem Werk: „Was machen die Bilder mit uns, die sich andere von uns machen?“ ist, so Stamm, die Kernfrage des Werks, das sich auf mehreren Zeitebenen abspielt und das Zerbrechen einer von vornherein zum Scheitern verurteilten Beziehung zwischen Agnes und dem namenlosen Erzähler des Werks inszeniert.

Da die Schüler der beiden Gymnasialzweige sich bereits eingehend mit dem Text befasst hatten, entstand eine interessante Diskussion über moderne Erzählweisen, verschiedene Lesarten und die Gestaltung seiner Motive im Roman sowie in der Verfilmung. „Das war interessant, der Autor hat mich auf ein paar Ideen gebracht, wie Themen und Motive miteinander verknüpft werden können. Erst im Gespräch ist mir das richtig klargeworden, dass nichts zufällig ist, sondern alles seinen Platz hat.“, erzählte eine Schülerin angetan im Anschluss an Peter Stamms Besuch an der Evangelischen Schule.

Bereits drei Wochen zuvor hatten die beiden Französischkurse der Jahrgangsstufe in Tübingen Gelegenheit gehabt, den Autor von „Un secret“, Philippe Grimbert,  persönlich kennenzulernen. Der Erzähler des autobiografischen Romans erfährt erst im Alter von 16 Jahren von der ersten Ehe seines Vaters mit einer Jüdin und von seinem Halbbruder, die beide in Auschwitz umgekommen sind und deren Schicksal als Familiengeheimnis fortan totgeschwiegen worden ist. Das Werk, dessen Inhalt die Schüler insofern stark beeindruckt, als die unvorstellbaren Ereignisse während der Zeit der Occupation in Frankreich unter dem Besatzungsregime in den im Buch vorgestellten Personen lebendig werden. Das Werk ist Pflichtlektüre für das Abitur im Fach Französisch und die beiden Französisch-Kurse reisten nach Tübingen, um dem Autor und somit dem Protagonisten des Werks persönlich gegenüberzutreten. Das Institut français in Tübingen hat den Besuch von Philippe Grimbert am Kepler-Gymnasium ermöglicht, Französischlernende aus ganz Baden-Württemberg waren angereist, um ihre Fragen an den Autor stellen zu können. Dieser präsentierte sich als Mensch, der selbstbewusst und authentisch von seinen Erfahrungen berichtete, und davon, wie er beim Schreiben die Entdeckungen in der Vergangenheit seiner Familie verarbeiten und somit lernen konnte, mit einer plötzlich verwandelten Identität umzugehen.

Beide Besuche stellen eine besondere Art von Vorbereitung auf das schriftliche Abitur dar, da es in der Arbeit mit literarischen Texten immer auch darum geht, eine persönliche Beziehung zu diesem zu entwickeln und seinen Wert für die Leserschaft zu entdecken. Durch die Begegnungen mit den Autoren werden Zugänge zu Texten eröffnet, die die Identifikation mit den Pflichttexten fördern und somit den Abiturienten einen Weg zeigen, sich kritisch mit Literatur des 21. Jahrhunderts auseinanderzusetzen.

„C’était une très bonne expérience. C’était intéressant de rencontrer la personne derrière ce livre. La rencontre nous a permis de comprendre qu’il y a quelqu’un qui a vraiment vécu cette „histoire“ incroyable et que ce n’est pas seulement de la fiction.“

(Es war eine sehr gute Erfahrung. Es war interessant die Person hinter dem Buch zu treffen. Durch die Begegnung haben wir verstanden, dass es jemanden gibt, der die unglaubliche „Geschichte“ wirklich erlebt hat und dass es nicht bloße Fiktion ist.)

Pour nous, la discussion avec Philippe Grimbert à Tübingen était très impressionnante parce qu’il a parlé sur ses propres expériences. Normalement, il y aurait une grande distance entre nous et les évènements pendant la Deuxième guerre mondiale – comme ça, cette époque-là est plus proche pour notre génération.“

(Für uns war die Diskussion mit Philippe Grimbert in Tübingen sehr beeindruckend, weil er über seine eigenen Erfahrungen gesprochen hat. Normalerweise sind die Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges weit weg – so ist diese Epoche nähergerückt.)

„Je trouvais cette rencontre très impressionnante parce qu’on ne peut pas croire que cette „histoire“ s’est vraiment passée. L’auteur était très sympa et c’était remarquable qu’il pouvait parler sur ce sujet sans montrer des émotions négatives. Il avait l’air d’être devenu très fort en écrivant ce livre.“

(Ich fand die Begegnung beeindruckend, weil man nicht glauben kann, dass sich diese „Geschichte“ wirklich abgespielt hat. Der Autor war sehr sympathisch und es war bemerkenswert, dass er über das Thema sprechen konnte ohne negative Gefühle zu zeigen. Es schien, als sei er durch das Schreiben gestärkt worden.)