„I can’t drown my demons“
Mittwochsandacht_online

Am ersten Wochenende der Pfingstferien war ich mal wieder auf einem Festival. Diesmal bei „Rock im Park“ in Nürnberg. Es haben ein paar Bands gespielt, die zu meinen Favoriten gehören. Am meisten abgeräumt hat aber der Headliner vom letzten Abend. Ich kannte die Band bisher nur vom Namen: Bring Me The Horizon. Und am meisten abgegangen ist das Publikum bei „Can you feel my heart“. Wir schauen uns das Video an.
Die Sequenz aus dem ruhigeren Teil wurde vom Publikum immer weiter gesungen, als das Stück schon vorbei war: „I’m scared to get close and I hate being alone; I long for that feeling to not feel at all; the higher I get, the lower I’ll sink; I can’t drown my demons, they know how to swim“.
Besonders die letzte Zeile hat es einem guten Freund von mir angetan. „I can’t drown my demons, they know how to swim“. Nur wenn man ihn gut kennt, kann man wissen, dass er sich tatsächlich damit identifiziert. Von außen betrachtet, würde man nicht darauf kommen. Er ist ein Inbegriff von Kreativität und Coolness. Ich kenne wenige Menschen, die so gut vernetzt sind wie er. Erfolgreich im Beruf und von vielen Menschen anerkannt und wertgeschätzt. Und trotzdem immer wieder unglücklich.
Auch Oli Sykes, dem Sänger von Bring Me The Horizon geht es ähnlich. Er besingt in dem Stück seine eigenen Dämonen. Das ist nicht nur Fiktion. Und das, obwohl er Frontmann einer sehr erfolgreichen Band ist, ein umjubelter Star, der die großen Festivals headlined. Offenbar schützt Erfolg nicht vor Depressionen.
„Can you feel my heart“ ist einer der großen Hits der Band. Vielleicht ist das Stück deshalb so beliebt, weil viele sich damit identifizieren können. Nicht nur mein Freund oder auch ich. Denn wer kennt sie nicht, die Dämonen. Die dunklen Gedanken, die einen zu ertränken drohen. „Ich bin nicht gut genug. Die anderen werden irgendwann hinter meine Fassade schauen und dann bin ich geliefert.“ Oder: „Ich halte den Druck nicht mehr aus. Eigentlich macht mir gar nichts mehr Spaß. Das Leben ist nur ein dunkler Tunnel und das Licht am Ende eine Illusion.“ Mir sind solche Gedanken und Gefühle jedenfalls nicht fremd. Und vielleicht kennt der eine oder die andere von Euch sie auch.
Manche Menschen werden mehr von solchen Dämonen gequält. Manche weniger. Manchmal nehmen die dunklen Gefühle überhand und Menschen können sich nicht vorstellen, jemals wieder froh zu werden. Dann spricht man von einer Depression. Und die kann eben jede und jeden treffen. Dafür braucht es keine äußeren Gründe. Wenn man keine Gründe dafür finden kann, warum es einem so schlecht geht, ist das sogar noch schlimmer.
Ich habe meine eigenen Erfahrungen mit depressiven Verstimmungen. Ich habe – Gott sei Dank! – therapeutische Hilfe gefunden, die mich wieder aufgerichtet hat. Und ich habe mehr Menschen in meinem Umfeld, die mit Depressionen zu kämpfen haben, als man meinen sollte. Deshalb trage ich das „Blackdog“-Bändel.
Wenn also Schüler*innen so mit ihren Dämonen zu kämpfen haben, dass sie alleine nicht mehr klarkommen, ist das kein Zeichen von Schwäche, schon gar keine Charakterschwäche, sondern eine echte Not. Und wenn sie sich Hilfe suchen, z.B. in einer Psychotherapie oder auch stationär in der Luisenklinik, dann ist das ein mutiger und kluger Schritt. Selten genug finden sie halbwegs schnell einen Platz. Und auch wenn sie nach einem Klinikaufenthalt in die Schule zurückkehren, heißt das nicht, dass jetzt alles stabil und im Lot ist.
Was sie von Euch und von uns brauchen, ist Respekt und Einfühlungsvermögen. Stattdessen kommt es vor, dass sie – vielleicht witzig gemeinte – Sprüche zu hören bekommen. Das ist nicht hilfreich. Ihr seid und wir sind zwar nicht ihre Therapeut*innen. Aber wir können und sollen als Menschen für sie da sein.
Was kann helfen, wenn die dunklen Gefühle überhandnehmen wollen? Was hat mir geholfen und hilft mir immer noch? „I can’t drown my demons.“ Ich weiß inzwischen, dass ich meine Dämonen wohl nie völlig loswerde. Aber ich kann mit ihnen schwimmen und mich von ihnen nicht ertränken lassen. Dabei hilft die Erfahrung, wieder aufgestanden zu sein.
Und dabei hilft mir der Glaube, dass ich von Gott geliebt und angenommen bin. Auch und gerade da, wo ich nicht erfolgreich und selbstsicher bin. Mein Dasein hat schon einen Sinn, bevor ich ihm einen geben kann, weil es von Gott gewollt ist. Oft genug bekomme ich das von Menschen gezeigt, auch da, wo ich gar nicht damit rechne. Menschen, die mich spüren lassen, dass ich ihnen wichtig bin. Auch dann, wenn ich vielleicht gerade gar nicht begreifen kann, warum das so ist.
Diesen wachen Blick füreinander und diese Wertschätzung wünsche ich Euch und uns allen. Die Erfahrung, nicht nur zu hören, sondern zu spüren: Ihr seid gewollt und von Gott geliebt.
Arnold Glitsch-Hünnefeld