Schulkantor Josef Michel

(1928 – 2002)

Josef Michel 1981

Josef Michel wurde 28. März 1928 in Hamburg geboren und wuchs an der hessischen Bergstasse sowie in Heidelberg auf. Als Sohn eines jüdischen Vaters musste er 1943 die Schule verlassen und begann unter der Obhut des badischen Landeskirchenmusikdirektors Prof. Poppen ein Vorstudium und schließlich ein Studium der Kirchenmusik in Heidelberg, wo er nach einem kurzem Einsatz am Westwall auch das Kriegsende erlebte.

Als Kantor begann er seine Berufslaufbahn 1949 zunächst in Schwetzingen und wirkte später 11 Jahre in Gaggenau bei Baden-Baden. Von 1961 bis 1972 war er Leiter der Kirchenmusikabteilung der Ahlborn Orgel GmbH und verkaufte die neu erfundenen elektronischen Orgeln an Kirchengemeinden, was seinerzeit zu heftigen Auseinandersetzungen in Fachzeitschriften führte. Gleichzeitg war er aktiv in seinem Berufsverband und schrieb als stellvertretender Landesvorsitzender zahlreiche Aufsätze zu Fragen des Berufsbildes, die damals ebenfalls kontrovers diskutiert wurden.

Gaienhofen war ihm durch die Kantorentätigkeit seines Freundes und Kollegen Enrico Raphaelis (1962 – ??) bekannt und er war in den frühen 60er Jahren auch einmal zu einer Arbeitsphase mit dem damals existierenden Knabenchor eingeladen. Als dann 1972 der damalige Direktor Rudolf Hildebrand, ein alter Freund aus Heidelberger Studientagen, ihn anrief, ob er nicht die Position des Schulkantors annehmen wolle um den eingegangen Knabenchor in Form eines gemischten Kinder- und Jugendchors wieder aufzubauen, sagte er gerne zu. Die Familie bestehend aus Ilse Michel, die lange Jahre als Sekretärin des Internatsleiters arbeitete und den 7 und 9 Jahre alten Söhnen zog an den Bodensee. Zu seiner großen Enttäuschung erhielt er aber in der Folge keine Unterstützung zur Gründung eines Chor-Heims innerhalb des Internats durch den Direktor oder seinen Nachfolger. Dennoch blieb er als Musiklehrer und Schulkantor bis zu seiner Pensionierung 1991 in Gaienhofen und übersiedelte 1993 nach Radolfzell.

Josef Michel hatte schon als Jugendlicher ein Interesse am Komponieren gezeigt und sein Studium bei dem damals wohl bedeutendsten Kompositionslehrer Wolfgang Fortner in Heidelberg gab ihm das notwendige Handwerkszeug mit. In den fünfziger Jahren erschienen erste Motetten und kleine Kantaten. In den frühen 60er Jahren schloß er sich dann den Liedermachern an, die neue, zeitgemäße Gemeindelieder schufen. Viele seiner 50 neuen geistlichen Lieder fanden Aufnahme in Gesangbücher verschiedener evangelischer Landeskirchen, sowie in Gesangbücher freikirchlicher, schweizer und amerikanischer Kirchen.

In Gaienhofen wurde die Chormusik für Jugendchöre und für Chöre mit nur einer Männerstimme zu seinem Schwerpunkt. Die Stücke mussten so gestaltet sein, dass sie den Möglichkeiten der jugendlichen Stimmen gerecht wurden und der stimmlichen Entwicklung förderlich waren. Unter seinen zahlreichen Chorbüchern erreichten die „Gaienhofener Schulmotetten“ und das „Gaienhofener Chorbuch“ große Auflagen. Für den Gottesdienst in der Melanchthonkirche schrieb er eine „Gaienhofener Liturgie“. Später übernahm er den Männerchor und gründete einen Frauenchor im Dorf, für die er ebenfalls zahlreiche Chorsätze schrieb und veröffentlichte.

Josef Michel war im Umkreis von „singbewegten“ Chorleitern aufgewachsen und die Leitung von Singwochen gehörte zu seinen liebsten Aufgaben. Rund 30 Jahre fand deshalb im Sommer die Gaienhofener Singwoche statt, die zu ihren Hochzeiten bis zu 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den See lockte.

Er gründete mit gleichgesinnten den SPD-Ortsverein Gaienhofen und war viele Jahre dessen Vorsitzender. Auf der damals CDU-dominierten Höri zimmerte er zusammen mit Liberalen und den Vorläufern der GRÜNEN eine Wählergemeinschaft, die zeitweise die größte Fraktion im Gaienhofener Rathaus stellte. Er selbst war mehrere Perioden Fraktionsvorsitzender und zeitweise auch stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Gaienhofen.

Text und Bilder: Johannes Matthias Michel, Mannheim

Literatur:

Heinz Werner Zimmermann: Badische Komponisten – 6- Portät: Josef Michel, in: Evangelische Kirchenmusik in Baden, Hessen, Pfalz, Jg. 35, Oktober 1958, S. 100-102; Heinrich Richard Trötschel, Josef Michel zum Ruhestand (+ Werkverzeichnis), in: Evangelische Kirchenmusik in Baden, 67. Jhg. 5/1991, S. 49-52; Sonja Roller-Eller: Kunst-Kirche-Kritik. Das Wirken des Gaienhofener Musikers Josef Michel In: Südkurier Konstanz 4./5. Juni 1994, Kulturbeilage  S.3; Johannes Matthias Michel: In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 22, Bautz, Nordhausen 2003

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