Schulentwicklung im Überblick

Eröffnungsrede zum Pädagogischen Tag am 14. Oktober 2016

Der Pädagogische Tag am 14. Oktober 2016 stand im Zeichen der geplanten Sanierung und Umgestaltung des Baus, der bis Juli 2016 das Lehrerzimmer sowie das Schulsekretariat und die Schulleitungsbüros beherbergte.

„Die geplanten Maßnahmen sind ein großer Schritt unserer Schulentwicklung“, eröffnete Dieter Toder die erste Planungssitzung, die mit Unterstützung durch Herrn Otto Seydel vom Institut für Schulentwicklung bereits eine Woche nach dem Pädagogischen Tag am vergangenen Freitag stattfand.

Die Motivation der Kollegen nährt sich unter anderem aus der Grundsatzrede des Schulleiters zum Auftakt des Pädagogischen Tages, in welcher der lange und bisweilen steinige Weg der Schule in einer Zusammenschau nachgezeichnet wurde, der lange vor dem Beschluss des Stiftungsrats begonnen hat, das Internat zu schließen. Nur auf diesem Hintergrund sind Schulentwicklungsprozesse zu verstehen, die die Schule auf verschiedenen Ebenen beschäftigen und bisweilen Geduld, Belastbarkeitsgrenzen und Nerven der Kollegen und der Schulleitung aufs Äußerste strapazierten – und es bis heute tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich begrüße zunächst alle zum heutigen Pädagogischen Tag, ein besonderer Gruß gilt Architekt Herrn Poth mit seiner Mitarbeiterin Frau Kiesling, Herrn Dr. Seydel als Schulbauexperte. Später am Tag begrüßen wir Herrn Dr. Wild zur WWSE-Auswertung der weiteren Anspruchsgruppen (Eltern und Schüler) hier in unserem Kreis – er wird sich im Anschluss an den Pädagogischen Tag mit einer Gruppe von 10 Kollegen und je 10 Schüler- und Elternvertretern im Schloss treffen.

Warum an dieser Stelle eine Grundsatzrede des Schulleiters?

Den Kollegen, die seit 10 Jahren hier sind, wird manches eine Wiederholung sein – aber wir sind ja alle didaktisch gebildete Personen, für die die Wiederholung als nachhaltiges Instrument zu dauerhaftem Lernen kein Fremdwort ist. Den dienstjüngeren Kollegen wird manches vielleicht noch nicht so klar sein – aber in der Zusammenschau vielleicht klarer werden.

Ich möchte in den nächsten 30-45 Minuten diese Zusammenschau unternehmen und damit den Rahmen für den heutigen Tag, für das bisherige Vorgehen sowie für das weitere Vorgehen setzen.

Warum bauen wir in Schloss Gaienhofen jetzt, die letzten Jahre und die nächsten Jahre, bis 2020 wahrscheinlich? Was bauen wir hier? Welchen Notwendigkeiten kommen wir nach? Welche pädagogischen Ideen und Konzepte liegen dem zugrunde? Und schließlich, heute das Hauptthema: Wie bauen wir hier? Welche Nutzungen haben wir, wollen wir künftig haben? Wie sollen die Räume für künftigen Unterricht in der Unter- und Mittelstufe aussehen? Wie können Sie aussehen? Dafür haben wir nachher Herrn Poth, der eine Bestandsaufnahme und die Ausgangsbedingungen erläutern wird und Herrn Dr. Seydel, der mögliche Ausformungen oder Gestaltungen von modernen Lernräumen auch an Beispielen erläutern wird.

Heute Nachmittag werden wir mit Herrn Dr. Wild die zweite Fremdevaluation im Haus haben. Ein nicht unwichtiger Punkt in beiden Durchgängen war auch die Frage nach der Schulentwicklung: Hat sich die Schule hier entwickelt? Soll sich eine gute Evangelische Schule weiter entwickeln? Soll es der Schulleitung einer guten Evangelischen Schule ein Anliegen sein, dass sich die Schule weiter entwickelt? – Hier, bei dieser Frage, war der Erwartungswert mit 4,2 Punkten von 5 sehr hoch; die Realitätseinschätzung lag an dieser Stelle sogar mit 4,3 Punkten noch höher als der Erwartungswert: „An meiner evangelischen Schule legt die Schulleitung Wert auf die Weiterentwicklung der Schule.“ Ich darf also auch in diesem Kreis heute Morgen von einem hohen Maß an Zustimmung dafür ausgehen, dass hier Schulentwicklung betrieben wurde und betrieben wird. Das freut mich persönlich sehr! Es wird also in den nächsten Schritten immer wieder um diesen Begriff gehen, untergliedert in Organisations-, Personal- und Unterrichtsentwicklung. Diese drei Bereiche haben uns in den letzten zwölf Jahren in unterschiedlicher Dichte und Intensität sowie in unterschiedlicher Reihenfolge beschäftigt.

So hat alles angefangen mit der Idee, dass es einer evangelischen Schule gut anstünde, „etwas mit Wirtschaft“ zu machen. Durch den Umstand, dass 2004 einer der bis heute renommiertesten Wirtschaftsethiker, Prof. Dr. Josef Wieland, damals bei der HTWG KN, heute Zeppelinuniversität FH, als Schülervater in Kontakt mit der Schule war, kamen wir zu dem Projekt der Etablierung eines neuen Faches, das es so noch nirgends gab: „Wirtschaft und Verantwortung“ oder „Business and Society“, entwickelt von drei Kollegen, Herrn Niemeyer, Herrn Dinkelaker und Herrn Nöldeke, mit Unterstützung von Dr. Joachim Fetzer, einem damals frisch promovierten Ökonomen und Theologen, heute Professor in Frankfurt.

Diese vier Personen haben damals ein schuleigenes Curriculum geschrieben, das, nach drei Jahren mit jährlicher Berichtspflicht, vom Kultusministerium dauerhaft – und ohne die lästige Berichtspflicht – genehmigt wurde. Seitdem ist dieses Fach für ausgewählte Schüler in den drei Jahren vor dem Abitur eine Bereicherung ihres Programms und regelmäßig mündliches Prüfungsfach, für das wir jeweils geeignete Prüfungsvorsitzende finden müssen.

Dieses Fach war nicht nur Bereicherung des Programms für Schüler, sondern es ist bis heute ein Alleinstellungsmerkmal unserer Schule! Und es wurde zur Bereicherung des schulischen Angebots insgesamt – der damals so genannte Schlussstein für die Ausdifferenzierung des Unterrichtsangebots eines evangelischen Internatsgymnasiums wurde zum Grundstein für eine neue Schulart. Der Unterrichtsentwicklung folgte also ein Stück Organisations- oder äußere Schulentwicklung durch die Gründung eines Wirtschaftsgymnasiums 2009, mit dem auch bis heute bewährten Fach “Global Studies“.  Dessen Konzeptionierung und Implementierung lag und die Bereichsleitung liegt bis heute in den Händen von Herrn Horn, der 2008 als stellvertretender Schulleiter kam und gleich einen großen eigenen Brocken stemmte.

Manche erinnern sich an die heißen Diskussionen um den Zeitpunkt der Gründung des WG im Jahr 2009, nämlich im Hinblick darauf, dass wir dann 2012 nicht nur Doppelabitur, sondern „Megaabitur“ haben würden: letztmals G9, erstmals G8 und erstmals WG-Abitur an einem Termin – und damit 120 Abiturienten!

Aber der Sinn der Sache war ja gerade diese zeitliche Parallele: um zu verhindern, dass die Schülerzahlen beim Wechsel von G9 zu G8 einbrachen und die Schülerzahlen dauerhaft unter 500 sinken würden, musste eine dauerhafte Lösung her. Mit der Gründung des WG und v.a. mit der Entwicklung, die diese Schulart bisher genommen hat (zweizügig ab dem zweiten Jahr, nicht nur einzügig wie ursprünglich geplant) ist dies gelungen. Denn – machen wir uns nichts vor: Was hätte ein Schulträger, der in Karlsruhe sitzt, auf Dauer mit einem kleinen Landgymnasium angefangen, mit einer Schule, an der dringend Renovierungsarbeiten zu unternehmen waren, an der es einen Sanierungsstau gab und noch gibt, die aber mit sinkenden Schülerzahlen aufwartet?

Schulentwicklung ist nicht immer selbstreferentiell oder selbstgenügsam. Viele Schulentwicklungsprozesse – auch da machen wir uns nichts vor – werden durch Notwendigkeiten von außen in Gang gesetzt. Diese Notwendigkeit kam mit der Aufforderung des Vorstandes und des Stiftungsrates über uns, ein Konzept vorzulegen, wie die Internatsschule angesichts der seit langem sinkenden Internatsbelegungszahlen zehn Jahre später aussehen sollte: der Auftrag an die Schulleitung zum Masterplan „Gaienhofen 2020“ war erteilt. Erstellt wurde dieser Masterplan vom Herbst 2009 bis zum April 2010 in der erweiterten Schulleitung. Damals gab es Urlaubssperre für alle Beteiligten. Als Basis diente u.a. ein Gutachten, das vom Institut für Schulentwicklung unter der Regie Dr. Seydels erstellt wurde – und das neben vielen Risiken wenige Chancen für das Internat sah, angesichts immer zahlreicher und besser werdender Ganztagesschulen und dem Wegbrechen der klassischen Klientel für eine Internatsschule in diesem eher unteren Preissegment. Und: der Schulträger hätte sehr viel in Internatsgebäude und deren Infrastruktur sowie in Personal investieren müssen, um die geforderte Steigerung der Belegungszahlen dauerhaft um zwanzig Schüler auch von den Gebäuden her realisieren zu können. Und dann wäre immer noch keine Sanierung an und in Schulgebäuden voran gebracht worden…

Die von der Schulleitung in einem 80-Seiten-Dossier aufgezeigten Möglichkeiten zur Erhaltung des Internats durch Steigerung der Belegungszahlen, die wesentlich durch die Erweiterung des schulischen Angebots erreicht worden wären – allein im 1. Jahr WG gab es acht Interne in einer Klasse – überzeugten schließlich den Stiftungsrat nicht. All die unserer Ansicht nach vielversprechenden Ideen wie die Stärkung der Studienhilfe am Nachmittag im Internat durch Ankopplung eines Tagesinternats – was die zahlenmäßige Erweiterung durch externe Schüler aller Klassenstufen bedeutet hätte – oder die Erweiterung des Einzugsgebietes in der Region oder die nochmalige Erweiterung des schulischen Angebots durch die Gründung einer Realschule konnten das Internat nicht halten. In einem schwierigen Prozess wurde die Schließung des Internats endgültig im September 2010 vom Stiftungsrat beschlossen. Vergessen wir nicht, dass zeitgleich bundesweit Skandale um Gewalt und Missbrauch in katholischen wie evangelischen Internaten durch die Presse gingen, dass sich auch aus dem Internat in Gaienhofen noch Menschen gemeldet haben, die Opfer sexueller Übergriffe von Erziehern geworden waren.

Hier könnte man länger verweilen, aber ich möchte ja die großen Linien der Schulentwicklung nachzeichnen, damit Sie als Zuhörer die heutigen Chancen und Herausforderungen besser einordnen können.

Was dieser Schließungsbeschluss im Gegenzug enthielt, war eine Zusage des Trägers, den Standort durch den Ausbau weiterer Schularten und eines Tagesinternats sowie durch Sanierungen und Erweiterungen im Schulbereich zu erhalten und zu stärken. Dazu wurde die Schulleitung beauftragt, ein Raumnutzungskonzept zu entwerfen und damit aufzuzeigen, wo und wie diese Entwicklung auch räumlich umgesetzt werden sollte.

Und damit wurde ein klassischer Top-down-Prozess der Schulentwicklung aufgesetzt. Das wird uns später nochmals beschäftigen.

Mit entscheidend für den Erhalt der Schule und die räumliche Umgestaltung waren auch die Schülerzahlen, die wir als Prognose bis 2016/17 vorlegten, bis zum Endausbau der 2011 gegründeten Realschule. Wir haben diese Prognosen mehr als eingehalten, wir haben sie um 20 Schüler in der Summe übertroffen – in der Prognose standen 741, aktuell sind es 761.

Wir halten fest: die äußere oder organisatorische Schulentwicklung wurde 2011 durch die Gründung einer Realschule und eines Tagesinternats weiter getrieben. Die Realschule gedeiht prächtig, wir haben für eine Klasse jedes Jahr zuviel Nachfrage; es reicht aber noch nicht für dauerhaft zwei Klassen. Das Tagesinternat für die höheren Klassen und die Oberstufe war dagegen bisher ein Flop. In der Unterstufe läuft es prima und die Zahlen stimmen.

Die Personalentwicklung von 2009 bis zum Beginn dieses Schuljahres war zum einen dadurch geprägt, dass in einer wachsenden Schule auch jedes Jahr mehrere Lehrerinnen und Lehrer neu eingestellt werden konnten. Und wir haben gerne viele junge, frisch aus der Ausbildung kommende Kollegen bei uns aufgenommen. Dies geschah natürlich auch in der Hoffnung, dass die zeitgleich anlaufenden Veränderungen auf pädagogischer und unterrichtlicher Ebene mit dem Background der aktuellen universitären und der Referendariats-Pädagogik von diesen jungen Leuten nicht als Veränderungen, sondern als gute, erwartbare und mitgestaltbare Arbeits- und Unterrichtsbedingungen wahrgenommen würden.

Zum anderen war die Personalentwicklung dadurch geprägt, dass wir parallel zu den Schritten in der Unterrichtsentwicklung Fortbildungsmaßnahmen und –möglichkeiten, hausintern und außerhalb, aufgelegt haben. Das neue Stichwort heißt ab Frühjahr 2012: Individualisierung.

Die in diesem Zusammenhang im Juni 2012 veranstaltete hausinterne Tagung zum künftigen „Individualisierten Lernen mit iPads“ wird u.a. mit einem Vortrag von Prof. Thissen, Hochschule für Mediengestaltung Stuttgart –Vaihingen eröffnet. Es ist derselbe, der vor 14 Tagen die „keynote“ des Bildungsforums in Berlin zur Digitalisierung der Schule gehalten hat – man begegnet sich auch in diesem Feld mehrmals. Titel unserer Tagung 2012 war: „Sei der Entdecker deiner eigenen Wirklichkeit“, ein Zitat von Kersten Reich, der einiges zu einer konstruktivistischen Didaktik geschrieben hat.

Eigentlich, so haben wir uns beim Pädagogischen Tag vor zwei Jahren gegenseitig versichert, war das ja für Schloss Gaienhofen kein wirklich neues Stichwort: es gab zuvor schon viele Formen der Individualisierung, im Internat in der Studienhilfe, in der Wochenplanarbeit oder in der Freiarbeit der Unterstufe – wir haben nicht bei Null angefangen! Prof. Herrmann hielt einen Vortrag zum Thema: „Was kann beim Individualisierten Lernen eigentlich individualisiert werden?“ Wir legten ein Buch mit dem Titel „Werkstatt Individualisierung“ aus. Das muss es heute noch in fünf Exemplaren geben. Freilich erlegten wir hier den Kollegen eine „Holschuld“ auf – inwieweit dies tatsächlich eingehalten und umgesetzt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.

Dennoch war es gewöhnungsbedürftig für viele oder für alle von uns den Perspektivenwechsel zu vollziehen, den die pädagogische oder auch die methodisch-didaktische Diskussion vorgezeichnet hatte:

  • weg vom Lehrer, hin zum Lerner
  • weg von der Vermittlung von Inhalten durch den Lehrer hin zum selbständigen Erarbeiten von Wissen durch den Lerner
  • weg von lehrerzentrierten Lehr-Lern-Arrangements hin zu schülerzentrierten Methoden und Settings.
  • Lernen als einen je individuell andersartigen, aktiven Prozess verstehen und dementsprechend gestalten.

An dieser Stelle ein kleiner Schwenk von der Unterrichtsentwicklung zurück zur Organisationsentwicklung: Mit Frau Schweers aus Konstanz haben wir – das meint diesmal die Schulleitung und die damals etablierten Stufenkoordinatoren (ursprünglich gab es 1 Mittelstufenkoordinator und 1 Unterstufenkoordinator) – in der Endphase mit den Fachvorsitzenden der einzelnen Fächer die Schulorganisation umgekrempelt: 2012 gab es bereits drei Schularten unter einem Dach und die innere Organisation nach Fachschaften stieß an ihre Grenzen. Außerdem wollten wir ja mehr sein als nur drei Schulen nebeneinander. Also wurde in mehreren Sitzungen das heutige Organisations-Modell der Abteilungen nach Stufen, nicht nach Fächergruppen, etabliert. Zugegeben das war eine „Ordre-de mufftie“ als Top-down-Prozess, basierend auf dem Direktionsrecht, das ja der Schulleitung die Freiheit und die Möglichkeit gibt, sich selbst zu organisieren und sinnvolle Verwaltungseinheiten zu bilden.

Das für dieses Schuljahr adaptierte Organigramm ist die Abbildung des Ergebnisses dieses Prozesses; die Tätigkeitsbeschreibung für Stufenkoordinatoren, wie Sie Ende des vergangenen Schuljahres zu den Bewerbungen aushing, ebenfalls. Die Organisation dieser Schule kennt keine Einteilung nach Schularten, sondern nach Stufen, schulartübergreifend. Und da die obere Mittelstufe mit den jetzt anstehenden erneuten Erweiterungen in der äußeren Schulentwicklung zu viel aufgetragen bekommen hätte, gibt es hier eine weitere Differenzierung in „Stufe 9/10“ und „Gelenkstufe“ – die jetzt mit der Genehmigung des Aufbaugymnasiums noch mehr zum Tragen kommen wird. Sie sehen: die Schulentwicklung hier ist ein beständiges Ineinandergreifen der drei Felder: Organisations-, Personal- und Unterrichtsentwicklung.

Ein Ergebnis dieser Tagung im Juni 2012 bei uns war auch die Einrichtung einer Projektgruppe zur Unterrichtsentwicklung unter der Überschrift: „Individualisiertes Lernen“. Mit Fortschreiten der dort von Schulleitung, Eltern und Lehrern getroffenen Entscheidungen hieß diese Gruppe bald „Individualisiertes Lernen mit iPads“. Es würde auch hier zu weit führen, die ganzen Zwischenschritte aufzuzeigen. Es war jedenfalls eine Heidenarbeit, die v.a. Frau Bischofberger, Frau Heller-Tassoni, Herr Urban und Frau Koppe auf sich nahmen und gegen anfänglich auch heftigen Widerstand von Eltern das heute gültige Modell eines BringYourOwnDevice etablierten.

Für Insider nochmals in  Erinnerung gerufen sei der Umstand, dass zu den Hochzeiten vor der endgültigen Entscheidung zum Einführen von iPads als ständige Unterrichtsbegleiter in Schülerhand und im Sommer 2014 dann auch in der Hand eines jeden Lehrers einmal 90 Fragen von Eltern zu beantworten waren!

Zu diesem Zeitpunkt waren wir übrigens als Schule schon nachgefragte Experten zu diesem Thema und trugen bei zwei Tagungen in Bad Boll, bei Tagungen des Evangelischen Schulbundes Südwest in Mannheim und in Königsfeld sowie beim 6. Bundeskongress Evangelischer Schulen in Stuttgart (Sept. 2014) vor. Es entstanden auch mehrere Publikationen, in der Zeitschrift „Lehren und Lernen“ sowie in zwei Loseblattsammlungen zur Lehrer- und Schulleiterfortbildung im RAABE-Verlag (z.B. in der Reihe „Schulleitung und Schulentwicklung“). Bis heute sind wir durchaus im bundesweiten Vergleich bei diesem Thema in der Lage, Workshops anzubieten und als Ratgeber zu fungieren – wie zuletzt in Berlin vor 14 Tagen.

Zurück nach Gaienhofen: besagte Tagung fand bei uns im frisch renovierten, im Februar 2012 eingeweihten, ehemaligen Verwaltungsgebäude, dem heutigen „Lern – und Medienhaus“, statt. Hier ist der Name Programm, denn man sieht hier die räumliche Aufteilung in einen größeren Raum, der zur Instruktion oder für „input-lessons“ geeignet ist, in unmittelbarer Nähe zu kleineren Räumen, die sich zur individuellen Erarbeitung, Vertiefung, Übung, zum Gruppen- oder Stationenlernen oder zu sonstigen Schüleraktivitäten eignen. Und, nochmals, wir haben den Namen für das Gebäude bewusst so gewählt, dass er beides beinhaltet: die Konzentration auf das Lernen der Schüler sowie die Einbindung von Medien in das Lerngeschehen. In voller Absicht beginnt das Gebäude im EG auch mit einer Bibliothek, denn wir wollen nicht bloß die „iPad-Schule“ sein, sondern die Schule, an der individualisierte Lernformen und Lernphasen Platz haben neben anderen, auch lehrerzentrierten Phasen. Und wir möchten eine Schule sein, in der Bücher Platz haben neben digitalisierten Medien und an der ein Konzept zum Individualisierten Lernen vorgängig ist zum Einsatz von digitalen Medien!

Die Arbeitsgruppe zum Individualisierten Lernen mit medialer Unterstützung hat folgende Grundsätze definiert:

  • Wir ermöglichen Schülern, Inhalte in ihrem eigenen Tempo und ihrem Lerntyp gemäß zu trainieren.
  • Wir fördern das selbständige Erarbeiten von Inhalten.
  • Wir führen Schüler zum eigenständigen Dokumentieren von Lerninhalten.
  • Wir fördern das kreative Arbeiten.
  • Wir unterstützen das kooperative Lernen.
  • Wir führen Schüler zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit mobilen, mit digitalen Geräten.
  • Wir führen Schüler an die Nutzung es iPads als Instrument zur Organisation ihrer je eigenen Arbeitsprozesse heran.

Indem wir diesen Weg seit über vier Jahren beschreiten – mittlerweile ist die Ausstattung mit iPads in Jahrgang 10 angekommen – entwickeln wir auch kontinuierlich den Unterricht weiter, nicht nur beim Einsatz digitaler Medien: jetzt steht ab Klasse 10 zur Disposition, dass die Schüler auch ein Laptop mitbringen können; es gilt aber weiterhin „BringYourOwnDevice“. Wir entwickeln den Unterricht auch durch eine neue Arbeitsgruppe weiter, die seit diesem Schuljahr arbeitet und die im letzten Schuljahr aus einer Fortbildung für Realschule hervorgegangen ist. Ein ganzes Dutzend Kollegen, von Klasse 5 bis zur Eingangsklasse WG bilden diese Arbeitsgruppe unter der Leitung von Frau Dr. Dany mit dem Namen „Individualisiertes Lernen coachen“ (ILC). Diese Kollegen führen in regelmäßigen Abständen Einzelgespräche mit ihren Schülern zu deren individuellen Zielen und Lernfortschritten – und dabei darf auch so ein Gespräch für den Schüler wichtiger sein als der gerade laufende Unterricht im Klassenverband. Und auch hier sind die Eltern in den Kommunikationsprozess eingebunden.

Wichtig ist mir allerdings festzuhalten: ILC ersetzt nicht IL mit iPads! Es ergänzt, erweitert, führt fort, legt ein anderes Gewicht bei der Individualisierung, aber damit endet die Beschäftigung mit dem Mehrwert nicht, den der Einsatz von iPads konzeptgeleitet mit sich bringt. Die Herausforderung, unsere Schüler auf eine Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts mit einem Grad an Digitalisierung vorzubereiten, der vor wenigen Jahren noch nicht vorstellbar war, bleibt. Ein Beispiel hierfür seien zwei Abbildungen im Spiegel 2013:

Beim Tod von Papst Johannes Paul II im Jahr 2005 versammeln sich tausende Gläubige auf der Via Della Conciliazione, um dem Verstorbenen, der über den Petersplatz getragen wurde, die letzte Ehre zu erweisen. Nur vereinzelt ist ein Handy zu sehen oder eine Digitalkamera zu erahnen. Acht Jahre später, im Jahr 2013 – Papst Benedikt ist gerade zurückgetreten, man wartet auf die Bekanntgabe des Nachfolgers – versammeln sich am selben Ort wieder tausende Gläubige, doch jetzt ist ein Wald von in die Höhe gereckten zu sehen, die Smartphones und Digitalkameras, Displays von Tablets etc in die Höhe halten, um ein Foto zu erhaschen. Die technologische Entwicklung ist nicht zu übersehen, und das innerhalb von nur 8 Jahren. Einen Eindruck von dieser rasanten Entwicklung hin zur digitalisierten Welt konnten wir auch durch den Vortrag von Prof. Thissen in Berlin Ende September bekommen. Als Konsequenz für uns Lehrer aus dieser rasanten Entwicklung möchte ich aber eine Sequenz aus Thissens Vortrag aus der Erinnerung wiederholen: Lehrer haben ihren Beruf ja mal mit der Absicht gewählt, junge Menschen auf die Zukunft vorzubereiten. Nun kann man aber als Lehrer nicht ernsthaft sagen: „Nein, diesen Teil der Zukunft – gemeint ist die Digitalisierung nicht nur der Arbeitswelt, sondern fast aller Lebensbereiche – lehne ich ab, darauf bereite ich nicht vor.“ Wenn wir das mal verinnerlichen, kommen wir gar nicht daran vorbei, auf dem bei uns eingeschlagenen Weg weiter zu gehen!

An dieser Stelle sei auf ein Video über „Teaching machines“ von B.F. Skinner (1954) verwiesen, das in jener Zeit fast wie Science fiction anmutete… (bei youtube unter dem Filmtitel auffindbar).

Der Film zeigt: Lernen im eigenen Takt, im eigenen Tempo ist schon mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Und welche Vorteile das für alle Schüler, die starken wie die schwachen, mit sich bringt, wird von Skinner auch gut beschrieben. Ich will hier jedoch nicht falsch verstanden werden: ich bin kein Anhänger des Behaviorismus’, und unsere Vorstellung vom Lernen als einem aktiven, individuell ganz unterschiedlichen Prozess ist vom Konstruktivismus und von der jüngeren Lernforschung inspiriert. Und das Arrangement der Teaching Machines erinnert, wenn überhaupt, eher an einen Computerraum als an mobile Endgeräte.

Wir wollten aber, auch das sei hier nochmals gesagt, in der Ausweitung der technischen Ausstattung nicht einfach einen zweiten Computerraum haben; stattdessen haben wir einen Paradigmenwechsel vollzogen und sind mit der Frage vorangeschritten: Was wäre, wenn jetzt, anders als bisher, der Computer zum Schüler käme, und nicht umgekehrt? Und was, wenn dieser Computer in allen Unterrichtsfächern eingesetzt werden könnte, nicht nur in spezifischen? Zum Zeitpunkt dieser Überlegungen gab es die ersten Tablet-Computer mit längeren Akku-Laufzeiten als Laptops. Auch so, nämlich „materialistisch“, kann man den Anfang unseres Weges beschreiben!

Dass dieser von uns eingeschlagene Weg auch beim Schulträger in Karlsruhe Anerkennung findet, drückt sich u.a. dadurch aus, dass die technische Ausstattung in den Klassenräumen, die Netzabdeckung auf dem Campus und in den einzelnen Gebäuden, die unterschiedlichen Anschaffungen für den Ausbau dieser Schule mit WLAN-Verbindungen, Servern, Accesspoints im letzten Jahr noch zu 100% bezuschusst wurde! Und sie wird mit der über drei Jahre andauernden Unterstützung für diesen Schulentwicklungs-Prozess durch die Werner-und-Erika Messmer Stiftung im Gesamtvolumen von 32.000 € deutlich. Wir konnten insgesamt knapp 140.000 € verbauen. Darum beneidet uns manch andere Schule.

Die Zustimmung des Trägers drückt sich aber auch, wieder für alle nachlesbar, beispielsweise in den Worten des Vorstandes der Schulstiftung der Evangelischen Landeskirche in Baden aus. Herr Prof. Dr. Schneider-Harpprecht wird nach dem Interview in der Ausgabe September 2016 von „ekiba.intern“ bei der Frage, warum Kirche Schulen betreibt, so wiedergegeben:

„Wichtig sei auch der Modellcharakter evangelischer Schulen. In evangelischen Schulen werde christlich fundierte, innovative Pädagogik geboten, die auch als Modell für andere Schulen dienen könne. Beispiele dafür seien das individualisierte Lernen mit dem iPad, der Kurs „Wirtschaft und Verantwortung“ in Gaienhofen oder die Gemeinschaftsschulen auf Basis der Montessori-Pädagogik in Freiburg und Karlsruhe.“ (S. 4).

Zu diesen technischen Veränderungen und Entwicklungen in der Unterrichtsorganisation müssen aber immer die anderen Faktoren kommen, um einen „runden“ Schulentwicklungs-Prozess gestalten zu können:

In der Personalentwicklung geht die hausinterne Fortbildung zu IL mit iPads in die nächste Runde: kommende Woche, am 19.10. sind wieder Kurse zum Einsatz der Geräte angeboten – vielen Dank dafür der Anbieterin, Frau Bischofberger und für alle weiteren geplanten Fortbildungen auch an Herrn Urban und den Kollegen, die sich in das Angebot einklinken werden.

In der Organisationsentwicklung geht es morgen weiter, indem wir im Schulausschuss eine erneute Differenzierung in der Oberstufe zur dann offiziellen Beantragung durch den Vorstand der Stiftung übergeben wollen, die Erweiterung durch ein Aufbaugymnasium; grünes Licht nach einer eingehenden Vorprüfung dafür haben wir seit einer Woche aus dem Regierungspräsidium. Die Erweiterung des beruflichen Gymnasiums durch ein SG ist ja schon beschlossene Sache, da suchen wir nur nach einem passenden Lehrer, das allerdings schon seit einem Jahr!

Mit diesen ineinander verzahnten Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklungen gehen die Überlegungen zu den baulichen Veränderungen einher. Die schulischen Räume müssen den neuen Verhältnissen angepasst werden, wir brauchen mehr Raum für mehr Schüler in mehr Schularten – z.B. eine zweite Turnhalle, Technikräume, einen eigenen Musikbereich – und wir brauchen eine andere Aufteilung der Räume, um anders unterrichten zu können. Und schließlich sollte die ganze Schule –  e i n e  Schule mit mehreren Schularten unter einem Dach – in der allgemeinen räumlichen Struktur auf dem Campus der seit 2013 etablierten Stufeneinteilung folgen. Diese ist mittlerweile feiner gerastert als noch im Masterplan 2010, der auch schon von Unter-, Mittelstufen- und Oberstufenbereichen sprach; damals dachten wir noch in Dreijahres-Schritten. Heute haben wir zwei Jahrgänge zu einer Stufe zusammengefasst, aber das Gelände sollte auch großräumiger so gegliedert sein.

Um herauszufinden, wie die baulichen Möglichkeiten in Gaienhofen überhaupt seien, wurde vom Vorstand wieder ein Gutachten beauftragt, diesmal bei der PROKIBA („Gesellschaft für Projektentwicklung und Projektsteuerung für kirchliches Bauen in Baden GmbH“) – die ersten Überlegungen eines Stuttgarter Architekten,

  • der alle Schulräume in einem großen, nach Süden geöffneten U unterbringen wollte, das von einem Ostflügel vom Gemeindehaus über die Kirche – die es dann nicht mehr gegeben hätte – bis zur Höhe des Kirchturms gereicht hätte.
  • der in einem Querriegel die alte Schulverwaltung mit Lehrerzimmer überbaut hätte.
  • der den bestehenden Altbautrakt angeschlossen und eine dreigliedrige Turnhalle im Schulhof vergraben hätte.

All diese Überlegungen waren dem Träger schlicht zu teuer. Außerdem waren alle Unterrichts- und Funktionsräume der künftigen Schule an der Hauptstraße konzentriert, es fehlte uns die Anbindung an den See, die Kirche war auf einen „Andachtsraum“ geschrumpft, der Festsaal der Schule wäre zugleich die neu gebaute Turnhalle gewesen, die Verbindung von Schul- und Kirchengemeinde war in den Gebäuden nicht erkennbar. Und wir fanden, dass dieser funktional sicher gut durchdachte Gebäudekomplex überall hätte stehen können, das Spezifische des Ortes direkt am See lebte darin nicht.

Die neuen Gutachter wollten aber auch erst mal von uns in der Schulleitung wissen: ja, wozu sollen denn diese Erweiterungsräume genutzt werden? Was soll darin genau passieren? Welche Funktionen müssen sie abbilden? Welcher pädagogischen Idee folgen sie? Und, immer wieder die Kernfrage: Wie soll denn darin unterrichtet werden? Und dabei entstand dann – ungefähr zeitgleich mit der Fertigstellung des Lern- und Medien-Hauses –  die Idee und der Sprachgebrauch von „Individualisierten Lernformen“ (Brücke 2013) in allen Stufen, nach dem Modell, das im ehemaligen Verwaltungsgebäude durch Umbau ab Februar 2012 möglich geworden war. Die mit diesem Gutachten beauftragten Architekten forderten die Darstellung pädagogischer Grundideen, auf maximal eineinhalb Seiten. Wieder von der Schulleitung, wieder als „Top-down-Prozess“.

Wir kamen dem nach und zogen einen Bogen von der Gründung 1904 als Erstes Deutsches Landerziehungsheim für Mädchen, über die Neugründung als christliche Internatsschule 1946 bis zur evangelischen Regionalschule dann ab 2012.

Jetzt, für den neuerlich anwesenden Architekten und den Schulplaner ebenso wie für alle Kollegen sowie diejenigen, die dann gegebenenfalls in einer Planungsgruppe weiter mit überlegen, wie die künftige Unter – und Mittelstufe aussehen soll, ein paar Sätze aus diesem Grundsatzpapier, mit denen ich auch allmählich meine Grundsatzrede heute Morgen beenden möchte:

„Spannt man einen Bogen von den Anfängen bis zur Gegenwart1, lässt sich auch an den Grund- bzw. Leitsätzen ablesen, dass hier Bildung und Erziehung in einem umfassenderen Sinn geschehen:

„Das Deutsche Landerziehungsheim will eine Erziehungsstätte sein, die in gleicher Weise ihr Augenmerk auf die körperliche, sittliche, geistige und praktische Ausbildung ihrer Zöglinge richtet. Durch diese Ausbildung wollen wir der Eigenart jedes Kindes möglichst gerecht werden und dasselbe in den Stand setzen, schließlich mit gesunder Kraft, gereiftem Urteil, selbständig, seinen Weg zu gehen….2“ .

Heute – also 2012 – stehen unter der Überschrift: „Im Zentrum unseres Gymnasiums stehen die einzelne Schülerin und der einzelne Schüler. Sie zu fördern und zu fordern ist unsere Hauptaufgabe.“

  • „Die Schülerinnen und Schüler erfahren eine klare Wertorientierung am christlichen Welt- und Menschenbild.
  • Bildung und Erziehung sind unsere Aufgaben am allgemeinbildenden Gymnasium.
  • Wir stärken die Leistungsbereitschaft, Eigenverantwortung und Selbstdisziplin beim Lernen.
  • Die Schülerinnen und Schüler übernehmen Verantwortung für sich, die anderen und die Umwelt.
  • Wir ermöglichen Offenheit als Haltung und Erfahrung.
  • Erziehungspartnerschaft mit den Eltern ist uns ein Anliegen.
  • Schule und (Tages-)internat in Kooperation zu gemeinsamen Zielen.3“

Drei strukturelle Besonderheiten prägen das heutige Gymnasium:

Mit der Gründung eines Wirtschaftsgymnasiums 2009 führen wir das Konzept von „Wirtschaftsethik auf dem Gymnasium“ des Allgemeinbildenden Gymnasiums fort: bilingual in Englisch mit Globalisierung als Kernthema4. Mit Gründung der Realschule 2011 wird die Schule zu einem durchgängig auf zwei Schularten aufgebauten Bildungsort (RS + Allgemeinbildendes Gymnasium [AG] in der Sekundarstufe I; AG + WG in Sekundarstufe II). Mit dem Tagesinternat wird das bisherige Internat ersetzt.

Im Lern- und Medienhaus des Tagesinternats ist erkennbar, wie wir uns „Eigenverantwortung und Selbstdisziplin beim Lernen“ für alle Schüler vorstellen: in einer Bibliothek, mit kleineren Räumen, die gruppenfähig für bis zu 10 Schüler sind, mit durchgängiger WLAN-Anbindung im ganzen Gebäude.

Für das neu entstehende Schul-Gebilde gelten die Grundsätze, mit denen Schloss Gaienhofen bisher verbunden war:

  • Wir sind die „überschaubare, menschliche Schule“, in der das Lehrer-Schüler-Verhältnis herausragend zur Schulqualität beiträgt. (In der deutschen Reformpädagogik hieß das: Kameradschaft.). Gleichzeitig sind wir weltoffen und werteorientiert.
  • Wir sind „eine Schule“ (und kein „Schulzentrum“):
  • Wir sind eine Schule, die in exponierter, schöner Lage direkt am See liegt, in historischem Ambiente.
  • Wir sind eine Schule, in der die Schüler an echten Aufgaben wachsen.
  • Wir sind eine Schule mit mehreren abschlussrelevanten Profilmerkmalen: Sprachen, Naturwissenschaften, Wirtschaft.
  • Wir sind eine Schule, die  nicht nur „Lernort“ ist, sondern auch „Lebensraum“, gestaltet durch besondere Schwerpunkte der pädagogischen Arbeit: Musik (Kantorei, Orchester), Wassersport (Segeln und Kajak, Ruderschwerpunktschule des Landes Baden-Württemberg), Kunst (Werken, Künstler der Region als Lehrer) und Religion.
  • Wir sind eine Schule mit besonderen Maßnahmen zur Berufs- und Studienwahlvorbereitung –BORIS rezertifiziert (Sozialpraktikum, Berufweltorientierung, Wirtschaftspraktikum; Kooperationsverträge mit Firmen, sozialen Trägern und Hochschulen; Informationsforen durch Förderverein).
  • Wir sind eine Schule, die „Partnerschule für Europa“ des Landes Baden-Württemberg ist, für besondere Maßnahmen im Bereich der Sprachen und Kulturen Europas (mit Partnerschulen in Frankreich, England, Rumänien, Australien;  EU-Seminar; bilingualer Unterricht ab Kl. 7 in Englisch in den Fächern Geographie, Geschichte, Biologie, business and society).
  • Wir sind eine Schule, die in einem Methodencurriculum für alle Klassenstufen5 festlegt, wie die Methodenkompetenz der Schülerinnen und Schüler stetig ausgebaut werden kann.

Gegenwärtig – so im Mai 2012 – bereiten wir den nächsten Schritt vor: den weiteren Ausbau individualisierter Lernformen für alle Klassenstufen, die Binnendifferenzierung im Unterricht durch die Einbeziehung moderner Medien (iPads) – also die Umsetzung dessen, was eine Konstruktivistische Didaktik (er)fordert: Schule konsequent vom Schüler und von dessen Lernen als aktivem Prozess her zu denken. Damit stehen wir zugleich wieder in der reformpädagogischen Tradition. Und hier zitiere ich einen von mir schon öfters dafür verwendeten Pädagogen: „Reformpädagogen sind vor allem interessiert am Lernen, an den Lernprozessen der Heranwachsenden. […] Der Reformpädagogik geht es um eine Veränderung und Verbesserung der Lerngelegenheiten und Lernbedingungen am Ort des Lehr-Lern-Geschehens. […] Es sind im Grunde immer wieder – damals wie heute – dieselben Themenkomplexe, an denen Reformpädagogen arbeiten: Selbsttätigkeit, Selbstfindung und individuelles Lernen – Längerfristigkeit, Nachhaltigkeit und emotionale Beteiligung – Ganzheit, Sinnzusammenhang und Reflexivität – Vielgestaltigkeit, Umweltbezug und Weltoffenheit – Kooperation, Gegenseitigkeit und Wechselseitigkeit – Zusammenleben, gemeinsames Leben und vereinbarte Ordnungen…“6.

Die Zielbeschreibung der Prokiba-Gutachter lautet dementsprechend u.a.:
„Mit der Einrichtung des neuen Medienhauses auf dem Areal des Wasserschlosses wurde bereits ein erster wichtiger Schritt zur Umsetzung der Angebotserweiterung in Richtung selbstorientiertes Lernen gemacht.7“

Planungsziele Prokiba:

  • die Pädagogik (reformpädagogischer Ansatz) soll sich im Gebäudekonzept widerspiegeln: kein zentralistischer Ansatz, sondern einzelne Häuser mit unterschiedlicher Gestalt und Nutzung.
  • die Kirchengemeinde bleibt als wichtiger Partner auf dem Schulgelände.
  • es werden auf dem Schulgelände Themenschwerpunkte gebildet.
  • die Qualitäten der Anlage werden herausgearbeitet: Lage, Gebäudeensemble, kirchliches Profil.
  • Nebenbauwerke und Nutzungen, die die Struktur verunklaren, werden zusammengefasst.

Das Ergebnis von Prokiba wurde auf mehreren Gremiensitzungen vor dem Schulausschuss, der Kirchengemeinde und am 29. November 2012 vor der Mitarbeiterversammlung der Schule vorgestellt. In dieser Studie wird der wachsenden Schülerzahl und dem um ein Tagesinternat erweiterten Angebot durch weiteren Ausbau und durch eine Umnutzung von Gebäuden Rechnung getragen. Die Kernaussagen in Kürze:

  • Das vorgestellte Konzept wird die „Campus-Situation“ in Gaienhofen stärken, d.h. an verschiedenen Gebäuden und Stellen im Gelände An- und Umbauten vorsehen.
  • Die Melanchthonkirche wird durch eine Empore erweitert und die unmittelbare Angliederung von Räumlichkeiten für die Kirchengemeinde bleibt erhalten.
  • Im Schlossgraben entsteht eine zweite Turnhalle mit Lagermöglichkeiten für die Ruderabteilung.
  • Der Verwaltungstrakt der Schule mit Büros und (zu kleinem) Lehrerzimmer wird zugunsten von Unterrichtsräumen überbaut.
  • Die Musik rückt näher an die Kirche; die Kunst wird ebenfalls am Hauptgebäude „ins Licht gehoben“.
  • Im Schloss wird das im Lern- und Medienhaus begonnene Raumkonzept zum individualisierten Lernen fortgesetzt; hier und im Marstall werden Räumlichkeiten zu Arbeitsräumen für Lehrer und Schüler umgewidmet.
  • Die Schulverwaltung rückt ins Schloss; das Lehrerzimmer entsteht neu südlich der Kirche.

Wie es dann endgültig geworden ist, bisher, das sehen Sie, wenn Sie heute über den Campus gehen.

Ich bin jedenfalls sehr froh, dass auch bei den Protestanten inzwischen nicht mehr allein gilt: „Der Geist weht, wo er will“ – und damit die Räumlichkeiten sekundär sind. In einer Publikation der EKD vom April 2016 über „Gute Schule aus evangelischer Sicht“ steht das so:

„Die Schule wird zum Lebensraum durch eine einladende Architektur und funktionsgerechte, ergonomische Arbeitsplätze. Sie bedarf eines kind- und jugendgerechten Raum- und Gestaltungskonzeptes, das gemeinsames Arbeiten und individuelle Konzentration gleichermaßen unterstützt.8“

Bei dieser Sicht von Schule kommen aber auch Sie alle vor: „Die Schule hält aber auch für Lehrerinnen und Lehrer einladende Räume bereit, nicht nur für die Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern, sondern auch im Hinblick auf den Austausch untereinander, die eigene Arbeit, das Gespräch mit Eltern sowie die Gestaltung von Pausen und Ruhephasen.9“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn für manche manches eine Wiederholung war, so ist mir die Zusammenschau der Entwicklungen an dieser Schule in den letzten 12 Jahren ein Anliegen. Ich hoffe, Sie haben erkennen können, dass dies alles kein Wildwuchs war, etwas Zufälliges, sondern ein planvoller Umbau eines zu anderen Zeiten Bewährten. Und dieser Umbau soll jetzt mit je einem Schlussstein in der Unter- und Mittelstufe beendet werden.

Der Schulträger, die Evangelische Schulstiftung hat bisher schon einiges im Baulichen und im Finanziellen geliefert – und er wird weitere Baumaßnahmen finanzieren; jetzt müssen wir im Pädagogischen und im Methodisch-Didaktischen vollenden, was wir schon angefangen haben. Die einmalige Chance, die dazu passenden Räumlichkeiten zu bekommen, sie mitgestalten zu können, liegt vor uns.

(Dieter Toder, 14.10.16)

Quellenangaben:
1 Toder, D.: Das Evangelische Internatsgymnasium Schloss Gaienhofen. Eine Schulgemeinde in reformpädagogischer Tradition. IN: Historische Jugendforschung. Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung, NF Band3/2006, S. 296-308.
2 Berta von Petersenn im ersten Schulprospekt 1904, zit. nach Toder, 2006, S. 297.
3 K. Dinkelaker/G. Niemeyer/O. Nöldeke: Wirtschaft und Verantwortung. Business and society. Der Weg zu einem neuen Schulfach. Von der Idee zur Praxis, hrsg. von Schloss Gaienhofen, Gaienhofen 2006, S. 34-37.
4 vgl.: Toder, D.: „Bildung und Gerechtigkeit“ – Das bilinguale Abiturfach „Wirtschaft und Verantwortung“ in Gaienhofen. IN: Jahrbuch für kirchliche Bildungsarbeit, Bd. 4, 2010: Gerechtigkeit in der Bildung, hrsg. von H. Rupp und Chr. Scheilke, Stuttgart 2010, S. 117-125.
5 Vgl.: D. Toder/K. Maag Merki: Schule aus der Perspektive des Lernens gestalten. Die schrittweise Einführung eines schulinternen Methodencurriculums. In: Pädagogik, 4, 2008: Schulinterne Curricula, S. 12-15.
6 Schulze, Th.: Reformpädagogik und Schulreform. Eine Antwort auf die derzeit grassierende Kritik an der Reformpädagogik. IN: Herrmann, U./Schlüter, St. (Hrsg.): Reformpädagogik – eine kritisch-konstruktive Vergegenwärtigung. Bad Heilbrunn 2012, S. 26.
7 J.Keller, A. Burmann: Prokiba – Gutachten. Karlsruhe 2012, S. 7
8 EKD (Hrsg.): Gute Schule aus evangelischer Sicht. Impulse für das Leben, Lehren und Lernen in der Schule. Reihe EKD-Texte Nr. 127. Hannover 2016, S16.
9 Ebda., S. 17

Das könnte noch interessant sein: