In Deine Hände …

Mittwochsandacht_online

Noch einmal beschäftige ich mich heute mit einem Kunstwerk aus der Ausstellung im evangelischen Gemeindehaus. Es ist ja eine Doppelausstellung und neben den Bildern von Magdalena Oppelt werden Plastiken von Petra Harder ausgestellt. Eine von Ihnen hat es mir auf den ersten Blick besonders angetan.

Ich sehe ein Gesicht – eingebettet in ein Stück Holz. Die Augen sind geschlossen, ein Lächeln spielt um die Lippen. Völlig entspannt liegt er da, der kleine Kopf. Als könnte ihn nichts aus der Ruhe bringen. Ich empfinde eine Sehnsucht nach solcher Ruhe und Entspannung. Eine Sehnsucht nach den großen Ferien, die jetzt nicht mehr fern sind. Die letzten Schulwochen sind allerdings noch einmal eine gedrängte Zeit.

Morgen beginnen die mündlichen Abiturprüfungen. Heute Nachmittag starten die Zeugniskonferenzen. Noch einmal wird bewertet, werden die Leistungen eines Schuljahres oder gar einer ganzen Schullaufbahn in Noten gegossen. Wie gut wird es sein, wenn dieser Druck abfällt. Wenn Zeit ist, die Seele baumeln zu lassen. Zeit zum Träumen. Dazu passt der Name dieser Plastik: „Der kleine Verträumte“.

In der Plastik verbinden sich Natur und Kultur. Das rohe Stück Holz und der mit den Händen geformte Kopf. Auch diese Kombination ist für mich ein Kennzeichen von Urlaub. Zeit, die Natur zu genießen. Das Meer oder die Berge. Wald oder Heide oder wo immer Euch die Ferien hinführen. Schön kann es auch sein, den See vor der Haustür ausgiebig zu genießen. Und Zeit für Kultur. Ein altes Fachwerkdorf oder eine moderne Großstadt. Museen oder Konzerte. Sehenswürdigkeiten gibt es in der Nähe wie in der Ferne.

Geborgen ist er, der kleine Verträumte. Er kann träumen, weil ihm kein Unheil droht. Er ruht auf sicherem Grund. Mich erinnert die Form des Holzstücks an eine Hand. Dazu fällt mir eine Zeile aus dem 31sten Psalm ein: „In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.“ Ich kann meinen Geist den Träumereien überlassen, weil ich ihn in Gott geborgen weiß. Von ihm habe ich meinen Geist empfangen. Meinen Lebensatem, den Gott sinnbildlich dem Adam bei der Schöpfung eingehaucht hat.

Zu Gott wird er dereinst zurückkehren. In der Zeit meines irdischen Daseins verbinden sich im Geist Verstand und Gefühl. Meine Geisteshaltung ist Ausdruck meines Charakters. In Gott ist meine Persönlichkeit geborgen und bewahrt. In Zeit und Ewigkeit. „Meine Zeit steht in deinen Händen“ spricht der Psalmbeter im selben Psalm. Die Zeit der Ruhe und die Zeit des schöpferischen Tuns. In Gottes Händen verbindet sich mein kreativer Geist mit dem Geist Gottes.

„Du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.“ Da klingt etwas von den Bedrängnissen des Lebens an, von denen Menschen sich Erlösung wünschen. Vom Druck des Alltags, aber auch von Versagen und Schuld. Kein menschliches Leben bleibt davon verschont. Petra Harder fertigt ihren Werkstoff aus geschredderten Kriminalakten an. Eine Kriminalakte steht für Brüche in einer Existenz.

Menschen haben das Gesetz gebrochen und sind schuldig geworden. Oder Menschen sind unverschuldet in die Mühlen der Justiz geraten. Auch das stellt einen Einbruch in das Leben dar. In den Kunstwerken werden diese Brüche in Schönheit verwandelt. In Gottes Händen wird auch das Gebrochene ganz. Auch dieses Vertrauen strahlt der kleine Verträumte aus.

Aus diesem Vertrauen heraus leben zu können, ist ein Geschenk. Sich in Gottes Händen geborgen zu wissen, was auch immer kommt. Im Alltag, auf den schweren Wegstrecken des Lebens und auch in den Zeiten der Erholung. In den kleinen Auszeiten und in den großen Ferien. Diesen festen Grund und diesen weiten Raum wünsche ich uns allen.

Arnold Glitsch-Hünnefeld

(gehalten am 14.7.21 in der Melanchthonkirche in Gaienhofen)

Die Kunstausstellung im evangelischen Gemeindehaus Gaienhofen läuft noch bis zum 25.7.21. Nähere Informationen gibt es hier.

Petra Harder, „Der kleine Verträumte“