ANGST – „nicht nur ein Gefühl, sondern etwas Lebendiges…“

Schlosstheater präsentiert beeindruckende Eigenproduktion

Was wäre, wenn die Mitglieder einer schulischen Theater-AG selbst ein Stück schrieben? Was hätte man zu erwarten, wenn sie sich dann „Angst“ als Thema wählten? Als Lehrer bliebe man skeptisch angesichts der zu erwartenden Anspielungen und Kritik, als Mitschüler stellte man sich in freudiger Erwartung auf Szenen ein, in denen ihre Ängste vor Leistungsdruck, Zensuren und gefühlter Ungerechtigkeit offen ausgesprochen würden.

Das Schlosstheater der Evangelischen Schule Schloss Gaienhofen bewies am vergangenen Wochenende eine andere Haltung. „Was für Ängste haben eigentlich Lehrer?“ Dieser Frage stellten sich die Schüler, entwickelten über Wochen und Monate hinweg selbst Rollen und betteten diese in eine Handlung ein, in der sie sichtlich aufgingen – ganz im Gegensatz zu der sonst beobachteten Sterilität von Laienschauspielern, wenn sie eine Rolle eines „fertigen“ Stücks übernehmen, ohne sich damit identifizieren zu können.

Die Handlung selbst ist denkbar einfach: Eine Gruppe von Lehrern trifft in einem Seminar aufeinander, das vordergründig die Angst vor der Ohnmacht angesichts der Digitalisierung nehmen soll. In Wirklichkeit sehen sie sich mit ihren persönlichen Ängsten und verborgenen Gefühlen konfrontiert und lernen sich ihnen zu stellen.

So trifft der Zuschauer unter anderem auf eine Erlebnispädagogin, die vom Gedanken geplagt wird, alles zu wenig perfekt geplant zu haben und den „1000 Fragen“ der Lehrer nicht gewachsen zu sein; er lebt mit der Biologin, die überzeugt davon ist in der Natur neue Kraft schöpfen zu können, genauso mit wie mit der übermäßig motivierten Referendarin, die selbst die „gottverlassene“ Gegend, in der das Seminar stattfindet, in Extase versetzt.

Der Zuschauer macht die Bekanntschaft von Jean-Claude Lebœuf, der als Franzose bald zum Publikumsliebling avanciert, auf Eliane, die ein Problem mit ihrem Selbstwertgefühl auslebt, auf den gescheiterten Künstler Matthias und den frustrierten Geschichtslehrer, die beide ihre Aggressionen offen abreagieren.

„Wir haben dann versucht, die Ängste und inneren Stimmen dieser Figuren zu personifizieren und sie auf der Bühne lebendig und sichtbar zu machen.“,

erklären Margit Schlenker und Anja Däschler als Leiterinnen der beiden Theatergruppen. Das Ergebnis ist ein beeindruckendes Spannungsbild zwischen äußerer und innerer Handlung, das zeigt, wie leicht eine Rolle brüchig wird, die dem normalen Alltag standhalten kann, Extremsituationen wie einer unfreiwilligen (erlebnispädagogisch wertvollen) Übernachtung im Wald jedoch nicht gewachsen ist.

So sind als Allegorien die Angst vor Versagen, Inkompetenz, Fremdbestimmtheit auf der Bühne ständig präsent, begleitet von den kleinen Ängsten, die dem persönlichen Handeln situationsgebunden aber dafür häufig im Weg stehen und schonungslos die Wahrheit offenbaren. Klischees von Schule werden damit elegant und liebevoll auf die Bühne gestellt und durch die Gegenüberstellung mit existentiellen Fragen entlarvt.

Um diese Komplexität darzustellen, braucht es schauspielerisches Können, das die Schüler auf individuell ausgeprägte und ausdrucksstarke Weise zeigten und das die dritte Eigenproduktion zu einem Erlebnis für die Zuschauer machte. Siemen Rühaak, Schauspieler und Regisseur, unterstützt die Theater-AG seit Jahren und bereitete mit der Gruppe gemeinsam die Aufführungen vor, die eine anerkannte Größe im Schuljahr darstellen.