Starke Frauen
Nach dem frühen Tod der Schulgründerin am 2.10.1910 und einer kürzeren Phase unter Leitung von Frl. John übernahm am 8.5.1914 Frau Dr. Elisabeth Müller die Leitung, die sie bis zum 1.10.1944 innehatte, dem Datum des Übergangs von Schule und Heim an den Badischen Staat. Unterstützt wurde sie bis nach dem Zweiten Weltkrieg von ihrer Schweizer Freundin, Dr. Hedwig Haldimann, ab 1919 dann noch von Hedwig Elben. Diese drei Frauen bildeten die „Kernmannschaft“ in äußerst wechselhaften politischen Verhältnissen.
Leitung durch Frau Dr. Müller
1914 erwarb Dr. Müller das Schloss, ließ es nach einem Brand 1925 rasch wieder aufbauen. Sie führte ein LEH mit stark wechselhafter Belegung, meist 15 bis 60 interne Schülerinnen. Die Schule war eine „Höhere Schule mit Oberrealschul-Lehrplan“, in der das Abitur und die Mittlere Reife in Externen-Prüfungen als Abschluss möglich waren. Die Mädchen lebten unter Leitung einer Erwachsenen in Wohngruppen. In dem Bericht einer Besuchsgruppe befreundeter DLEH von 1921 liest sich das so:
„Die Mädchen, in allen Altern von 9-18 Jahren, wohnen einzeln, zu zweien oder dreien. Es ist eine kleine, frohe Schar, in der jede Einzelne zu ihrem Rechte kommen kann. Das Heim bereitet auf das Abiturium vor, jedoch genießt eine größere Zahl, die nicht das Ziel eines wissenschaftlichen Berufes hat, nur einen Teil des Unterrichts mit, wird aber dafür stärker in Hauswirtschaft und anderen weiblichen Arbeiten ausgebildet.“(1)
Über den Unterricht hinaus
In Gaienhofen wird der Fachunterricht durch Arbeiten in Haus und Garten sowie im Handwerk (Schneiderei und Buchbinden) ergänzt. Sport spielt eine große Rolle, ebenso die Schulreisen: die Mädchen fuhren mit dem Fahrrad über die Alpen bis Genua und Portofino oder wanderten über den Schwarzwald und die Schweizer Berge. 1932 wurde die Aufnahme von Jungen ins Heim erstmals erwogen, da man gute Erfahrungen mit der Koedukation gemacht hatte. Als Externe durften sie vereinzelt bereits die Schule besuchen.
Staatliche Anerkennung
1940 wurde Gaienhofen staatlich anerkannt, dennoch war das LEH für Mädchen keine nationalsozialistische Schule. Zwar waren die meisten Schülerinnen im BDM organisiert, aber die Aktivitäten fanden außerhalb der Schule statt.
Das DLEH war über Jahrzehnte ein Lebensraum für die Ausbildung starker Persönlichkeiten, ganz so, wie in einem ersten Schulprospekt beschrieben:
„Das Deutsche Landerziehungsheim stellt sich der Aufgabe willensstarke, arbeitsfreudige Menschen zu erziehen, die imstande sind, ihren Platz im Leben auszufüllen, sei es als Frau und Mutter oder im selbstgewählten Beruf. Durch gleichmäßige Ausbildung von Geist und Körper sollen unsere Kinder zu tüchtigen Menschen heranwachsen. Wichtig hierfür ist das Leben in einfach ländlicher Umgebung.“ Gaienhofen gehört sicher zu den erfolgreichen pädagogischen Experimenten seit Beginn des 20. Jahrhunderts.“(2)
(1) H. Walther, in: Leben und Arbeit, Jg. 1921, S. 196f.).
(2) A. Moser, ebda., S. 280).