Tradition der Reformpädagogik

Die Schulgründung 1904 fällt in die Zeit der deutschen Reformpädagogik. Einige Erziehungsgrundsätze gelten bis heute, etwa:

  • Gib Jugendlichen eine echte Aufgabe und sie werden sie lösen.
  • Schule gibt Raum für eine eigene Jugendkultur in unterschiedlichen Gemeinschaftsformen.
  • Lernen geschieht mit Kopf, Herz und Hand.
  • Erwachsene sind Begleiter bei einem selbständigen und eigenverantwortlichen Prozess.

Lernen als aktiver Prozess

Es gilt also, Schule konsequent vom Schüler und seinem Lernen als aktivem Prozess her zu denken. Aktiv sind Schüler in vielen Arbeitsgemeinschaften im Sport, in der Musik und in Kunst, in dienenden AGs wie den Schulsanitäters, der Gottesdienstvorbereitung und in der Event-AG bei der Durchführung von schulischen Veranstaltungen. Aktives und eigenverantwortliches Lernen findet im unterrichtlichen Bereich bei individualisierten Lernformen mit Binnendifferenzierung und unter Einbeziehung digitaler Medien statt. Damit stehen wir zugleich wieder in der reformpädagogischen Tradition:

„Reformpädagogen sind vor allem interessiert am Lernen, an den Lernprozessen der Heranwachsenden. […] Der Reformpädagogik geht es um eine Veränderung und Verbesserung der Lerngelegenheiten und Lernbedingungen am Ort des Lehr-Lern-Geschehens. […] Es sind im Grunde immer wieder – damals wie heute – dieselben Themenkomplexe, an denen Reformpädagogen arbeiten: Selbsttätigkeit, Selbstfindung und individuelles Lernen – Längerfristigkeit, Nachhaltigkeit und emotionale Beteiligung – Ganzheit, Sinnzusammenhang und Reflexivität – Vielgestaltigkeit, Umweltbezug und Weltoffenheit – Kooperation, Gegenseitigkeit und Wechselseitigkeit – Zusammenleben, gemeinsames Leben und vereinbarte Ordnungen…“ (1)

Schulreformen

Diese Schule war immer wieder Ort für Pilotprojekte bei Schulreformen. Die Oberstufenreform des Landes Baden-Württemberg wurde 1972/73 hier in einer der wenigen Versuchsschulen vor der allgemeinen Einführung in den öffentlichen Gymnasien erprobt, zuerst mit einem Leistungskurs in Evangelischer Religion, 1978/79 dann in einem Leistungskurs Sport und ein Jahr später in Musik. Lange vor Einführung der Schulsozialarbeit gab es ab 1975 hier eine Internatspsychologin. Die Einführung des neusprachlichen Zuges mit Französisch als dritter Fremdsprache und damit die Erweiterung des bis dahin mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiums mit Latein als zweiter Fremdsprache erfolgte 1984/85, vorbereitet bereits Mitte der 1960er Jahre durch Schüleraustausche nach England und Frankreich. Verbindlichen „Computerunterricht“ gibt es seit 1984/85, noch bevor das Kultusministerium diesen zur Pflicht erklärt und in den Mathematikunterricht integriert hatte. Der Unterricht mit Computern sukzessive in allen Fächern, weg von einem speziellen Raum, wird mit mobilen Endgeräten in der Hand jedes Schülers und Lehrers ab 2012 realisiert. 2018 bemerkt die Kultusministerin bei einem Besuch, Schloss Gaienhofen sei bei den Unterrichtsformen mit digitalen Medien „erschreckend weit“.

Bilingualer Unterricht und Praktika

Zuvor bereits, Ende der 1980er Jahre war der bilinguale Sachunterricht auf Englisch in Erdkunde und Geschichte eingeführt worden, ab 2005 dann in einem bundesweit einmaligen Fach „Wirtschaft und Verantwortung“ und einem schuleigenen Curriculum erweitert (also: Wirtschaftsethik am Gymnasium, an dem es erst seit 2016 das Fach „Wirtschaft“ im Bildungsplan gibt), 2016 mit Biologie ergänzt. Ebenfalls bereits Ende der 1980er Jahre wird die „Orientierung in der Arbeitswelt“ als verpflichtendes Praktikum eingeführt (später heißt das beim Land „Berufsorientierung am Gymnasium, BOGY), seit 1996 gilt diese Verpflichtung auch für ein „Sozialpraktikum“.

Lernen mit erhöhten Praxisanteilen

Im selben Zeitraum bis 1996 werden die „Modelle“ eingeführt: verstärkter, mit hohen Praxisanteilen durchsetzter Unterricht in Musik durch Kantorei und Orchester, durch auf drei Jahre verteilt wählbare Schwerpunkte in Sport unter Einbeziehung des Wassersports, durch „Werken“ als Ergänzung in Kunst auch am Gymnasium. Viele dieser hier in Wahrnehmung der Freiheit einer freien Schule entwickelten Reformen bisheriger Schul- und Unterrichtsgestaltung fanden Eingang in die Bildungspläne des Landes Baden-Württemberg.

(1) Schulze, Reformpädagogik und Schulreform